Philip Wolfsteiner | Januar 25, 2024

Ohne Zielpreise keine Ergebnissteuerung

Wenn man nicht weiß, wohin man will, ist jedes Ergebnis relativ. Denn ohne Ziel fehlt auch der entscheidende Anhaltspunkt, anhand dessen man die eigene Leistung am Ende messen kann. In Industrieunternehmen ist das keine unübliche Situation: Preiskalkulationen basieren meist entweder auf einer Cost plus-Logik oder auf fortgeschriebenen Preisen aus der Vergangenheit. Keiner dieser Ansätze berücksichtigt jedoch die Preisbereitschaft von Kunden im Einzelfall. Das hat zur Folge, dass Ergebnispotenziale vielfach ungenutzt bleiben und die Vertriebssteuerung ins Leere führt.

Die Preisdurchsetzungsfähigkeit ist eine zentrale Steuerungsgröße im B2B-Geschäft. Inwiefern der Vertrieb in der Lage ist, Preispotenziale auszuschöpfen, ist allerdings oft nicht bekannt. Dafür fehlt es in den meisten Fällen an einer strukturierten Herangehensweise an die Zielpreis-Definition für Einzelkunden. Stattdessen verlassen sich viele Vertriebsmanager*innen auf ein vages Gefühl für die Preisbereitschaft im Einzelfall. Daran lässt sich der Vertriebserfolg aber nicht objektiv messen und verfolgen. Deshalb greift man in der Ergebnissteuerung vielfach auf undifferenzierte Cost plus-Ansätze oder historische Werte zurück – und nimmt dadurch teils gravierende Defizite in Kauf:

  • Die Cost plus-Methode ist zwar meist schnell und einfach umgesetzt, insgesamt aber erfahrungsgemäß eine teure Alternative zum nutzenbasierten Pricing. Denn was dabei an Aufwand eingespart wird, zahlt das Unternehmen an ungenutzten Preispotenzialen. Mehr darüber lesen Sie hier.
  • Auch historische Preisniveaus können keinen zuverlässigen Ausgangspunkt für die Bewertung der Preisdurchsetzungskraft liefern. Das gilt besonders in Zeiten wie diesen, in denen sowohl die Nachfragesituation als auch die Kostenfaktoren im industriellen Bereich stark schwanken.

Potenzialorientierte Zielpreisermittlung

Wer im B2B-Vertrieb nach zuverlässigen Messgrößen für die Ergebnissteuerung sucht, kann folgende Methodik nutzen. Sie basiert auf den variablen Herstellkosten und ermittelt über mehrere produkt- bzw. kundenspezifische Aufschläge den Zielpreis:

  • Anwendungsaufschlag
    Die wahrgenommene Wertigkeit einer Anwendung ist ausschlaggebend für die Preisbereitschaft von Kunden. Dabei spielen Faktoren wie Sicherheitsrelevanz und Qualitätsanspruch eine besondere Rolle. Die eigene Positionierung als Qualitätslieferant erlaubt dahingehend großzügigere Preisspielräume als im Fall eines generischen Angebots.
  • Branchenaufschlag
    Der Branchenaufschlag bemisst sich an der Preisbereitschaft der Abnehmerbranche. Diese ist auch vor dem Hintergrund der konjunkturellen Entwicklung zu bewerten: In branchenspezifischen Krisenzeiten wird statt einem Aufschlag womöglich ein Abschlag sinnvoll sein. Dagegen können in Wachstumsphasen wahrscheinlich höhere Preise durchgesetzt werden.
  • Differenzierungsaufschlag
    Je nachdem, wie stark sich das eigene Angebot von dem des Wettbewerbs unterscheidet, errechnet sich der Differenzierungsaufschlag. Er hängt auch maßgeblich von der Wettbewerbsintensität am entsprechenden Markt ab.

  • Kunden- bzw. Segmentaufschlag
    Der Kunden- bzw. Segmentaufschlag ergibt sich einerseits aus der Bedeutung des eigenen Unternehmens für den Kunden und andererseits aus der Kundenattraktivität im Sinne des Customer Lifetime Values. Um ihn zu ermitteln, eignet sich die Portfoliobetrachtung, die sich aus der Verschränkung dieser beiden Parameter ergibt. Hier erfahren Sie mehr dazu.

Ausgehend von den variablen Herstellkosten ergibt sich durch diese Zu- und Abschläge der Zielpreis, der infolge dem tatsächlich realisierten Preis gegenübergestellt werden kann. Als Differenz errechnet sich der Vertriebsnachlass. Er gibt Aufschluss über die Preisdurchsetzungsfähigkeit des Vertriebs und ist somit eine wesentliche Kennzahl zur Feststellung der Sales Force Effectiveness. Zusätzlich kann es sinnvoll sein, den Vertriebsnachlass in Verhandlungssituationen mit Kunden offenzulegen, um ein gemeinsames Verständnis über Preisspielräume herzustellen.

Vertriebseffektivität messen und verfolgen

Aus unserer Beratungserfahrung wissen wir: Die beiden aussagekräftigsten Messgrößen für den Vertriebserfolg sind die Preisdurchsetzungsfähigkeit und der Ausschöpfungsgrad beim Einzelkunden. Letzterer ermittelt den Anteil des kundenseitigen Gesamtbedarfs, den das eigene Unternehmen aktuell deckt, und beschreibt damit den Marktanteil bei einem spezifischen Kunden. Wer es schafft, diesen “Share of Wallet” zu maximieren und dabei die Zielpreise durchzusetzen, optimiert die Kundenprofitabilität und infolgedessen auch den Beitrag zum Gesamtergebnis.

Demnach bildet die Ermittlung von Mengen- und Preispotenzialen die Grundlage für eine zielgerichtete Ergebnissteuerung. Statt dabei einem ungefähren Bauchgefühl zu vertrauen, liefert unsere Zielpreis-Methodik einen strukturierten, kundenspezifischen Ansatz. Eine schematische Darstellung dieser Preiskalkulation stellen wir Ihnen im kostenlosen Download zur Verfügung. Sie dient dem Vertriebsteam als Zielsetzung, an der es die eigenen Ergebnisse messen kann. Denn erst wenn man weiß, wohin man will, kann man auch beurteilen, wo man gelandet ist.

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