Andreas Frischherz | Februar 16, 2021

Preismodelle: Die versteckten Kosten des Cost plus-Pricings

Es gibt Irrtümer, die schnell als solche überführt werden. Und andere, die sich hartnäckig halten. Wie zum Beispiel, dass die Cost plus-Methode eine gute Preisstrategie zur Abschöpfung des Ertragspotenzials ist. Obwohl die kostenbasierte Aufschlagskalkulation im B2B-Bereich noch immer weit verbreitet ist, weist sie erhebliche Nachteile auf. Wie wir bereits hier aufgezeigt haben, ignoriert sie nicht nur nachfrageseitige, sondern auch wettbewerbsseitige Effekte und schöpft dadurch das Preispotenzial nur in unzureichendem Maße aus. Die gute Nachricht ist: Es gibt eine Reihe an alternativen Preismodellen, die diesen Zweck besser erfüllen. Einige davon stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

Thomas arbeitet als Architekt, ist 34 Jahre alt und Single. Das möchte er ändern und meldet sich deshalb bei einer Dating-Plattform an. Er arbeitet sich durch einen nicht enden wollenden Fragebogen, in dem er angibt, dass er Nichtraucher ist, gerne bouldert und wie hoch sein Einkommen ist. Das alles soll helfen, eine/n passende/n Partner/in für ihn zu finden. Am Ende wird ihm der Preis für seine Mitgliedschaft angezeigt: € 28,37 pro Monat. Auch Magdalena, 22, beantwortet den Fragebogen. Sie studiert Philosophie, geht gerne ins Theater und wohnt im 16. Wiener Gemeindebezirk. Ihre Mitgliedschaft kostet € 8,43 pro Monat. Die eingekaufte Leistung ist in beiden Fällen vergleichbar, die Kosten für ihre Herstellung ebenso. Die finanziellen Möglichkeiten von Thomas und Magdalena und vielleicht auch der Nutzen, den sie sich davon versprechen, unterscheidet sich aber. Dass trotzdem beide eine Mitgliedschaft abschließen, liegt an der Preisstrategie, die die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft reflektiert. Kundenspezifische Preismodelle haben längst Einzug gehalten im B2C-Geschäft. Während man im Industriebereich verhalten auf dynamisches Pricing reagiert, passen Online-Händler, Hotelanbieter und Dating-Plattformen ihre Preise immer präziser an nachfrage- und kapazitätsspezifische Faktoren an. Die Vorteile gegenüber Fixpreisen sind offensichtlich. Im Beispiel oben würde ein fixer Mitgliedsbeitrag von € 15,- pro Monat weit unter dem Preis liegen, den Thomas eigentlich bereit wäre zu zahlen, während sich Magdalena die Mitgliedschaft womöglich gar nicht leisten wollen würde.

Die einfachste Methode ist selten auch die beste

Man fragt sich also, warum das Cost plus-Preismodell im B2B-Geschäft noch immer das weitaus häufigste ist. Die Gründe dafür sind vermutlich auf seine Einfachheit zurückzuführen: Aufgrund der internen Datengrundlage ist das Cost plus-Preismodell schnell anzuwenden und auch bei breiten Handelssortimenten ist es gut handhabbar. Bei vergleichbaren Kostenstrukturen und Aufschlägen der Wettbewerber entspricht es einem Competitive Pricing Ansatz.

Die Nachteile überwiegen dennoch bei weitem: Nachfrageseitige Effekte werden nicht berücksichtigt, wodurch die Preisbereitschaft der Kunden nicht ausgeschöpft wird. Auch Wettbewerbsfaktoren werden außer Acht gelassen, wenn die Kostenstrukturen unter den Anbietern nicht ident sind – was höchst wahrscheinlich ist. Zudem werden als Kalkulationsbasis oft die Vollkosten herangezogen. Dabei stellt sich die Frage, ob das vor dem Hintergrund des einzelnen Produktes bzw. der Wettbewerbssituation auch gerechtfertigt ist. Viele Unternehmen beschneiden sich dadurch selbst. Wer nur ein Produkt anbietet, muss damit die Vollkosten decken, über mehrere Sortimentsbestandteile hinweg muss das aber nicht immer und bei jeder Transaktion der Fall sein.

Es geht auch anders

Die Cost plus-Methode ist nicht alternativlos. Es existiert eine Reihe an unterschiedlichen Modellen zur Preisbestimmung bzw. zur Bewertung einzelner Preiskomponenten. Die Wesentlichen haben wir für Sie zusammengefasst:

  • Competitive Pricing
    Competitive Pricing ist eine Weiterentwicklung der Cost plus-Strategie. Es wird dabei ein Festpreis gesetzt, der sich am Preisniveau des Wettbewerbs orientiert. Die Preisbereitschaft der Kunden bzw. die Verhandlungsmacht der Lieferanten wird auch hier nicht vollständig berücksichtigt.
  • Value-Based Pricing
    Beim Value-Based Pricing steht der quantifizierte/quantifizierbare Kundennutzen des angebotenen Produktes/Services im Zentrum der Betrachtung. Der Preis wird nachfrageorientiert bestimmt. Hier wird die Zahlungsbereitschaft der Kunden bestmöglich ausgeschöpft. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Dynamic Pricing
    Eine sophistizierte Form des Value-Based Pricings ist das dynamische Preismodell, bei dem der Preis variabel ist und sich an nachfrage- und kapazitätsspezifischen Faktoren orientiert. Typische Beispiele dafür sind erhöhte Benzinpreise vor dem Pfingstwochenende oder Flugtickets, die wenige Stunden vor Abflug ein Vielfaches des Ausgangspreises kosten. Auch das Eingangsbeispiel zählt dazu.
  • Floater Pricing
    Eine im B2B-Bereich insbesondere bei stark schwankenden Vormaterialpreisen gut geeignete Pricing-Logik ist das sogenannte Floater Pricing. Dieses ergibt einen variablen Preis, der sich aus einer Floating-Komponente, die sich am aktuellen Marktpreisindex des jeweiligen Vormaterials (z.B. Stahl, Erdöl, etc.) orientiert, und einer fixierten Verarbeitungsmarge pro Leistungseinheit (z.B. Stk. Tonne, etc.) zusammensetzt. Damit können extreme Preisausschläge und der Anreiz zur Spekulation für Kunden und Lieferanten deutlich reduziert werden und die Planbarkeit der Geschäfte erhöht werden.
  • Flatrate
    Die Flatrate gilt unabhängig vom Nutzungsgrad eines Produktes oder einer Dienstleistung. Diese Form der Fixpreis-Setzung ist charakteristisch u.a. für die Telekommunikation.
  • Freemium (free+premium)
    Freemium ist ein typisches Online Pricing-Modell, das beispielsweise von Spotify und Zoom eingesetzt wird. Dabei wird eine kostenlose Basisversion von Produkten oder Services bereitgestellt, die gegen einen Fest-Aufpreis upgegradet werden kann.
  • Pay-per-use
    Bei diesem Modell bezieht sich der Preis nicht auf das Produkt selbst sondern auf dessen Nutzung bzw. auf die bezogene Leistung(seinheit) des Produktes (€/Stk., €/km, €/Std., etc.). Anstatt einen Kopierer zu kaufen, bezahlt man nach dem Pay-per-use-Modell beispielsweise einen bestimmten Betrag pro Kopie. Damit werden fixe Kosten variabilisiert.
  • Pay-what-you-want
    Es gilt ein variabler Preis dessen Festsetzung auf der individuellen Bewertung des Kundennutzens basiert. Der/die Verkäufer/in nimmt darauf keinen Einfluss. Pay-what-you-want ist ein Modell aus dem B2C-Bereich und wird auch in manchen Restaurants eingesetzt.

Eine Übersicht über alle Preismodelle sowie weiterführende Ansätze und Impulse zur Entwicklung einer nachfrage- und wettbewerbsgerechten Preisstrategie können Sie hier downloaden.

Welches Preismodell sinnvoll ist, hängt schlussendlich vom jeweiligen Marktumfeld ab, den spezifischen Unternehmensbedingungen und kann auch innerhalb des Produktsortiments eines Betriebes differieren. Eines haben die oben aufgelisteten Strategien aber jedenfalls gemeinsam: Sie sind nachfrageorientiert und schöpfen daher die Preisbereitschaft der Kunden in einem höheren Ausmaß ab als die Cost plus-Methode. Insofern wagen wir zu behaupten: Man kann nur gewinnen, wenn man sophistizierte Preismodelle einsetzt. Dass das mit erhöhter Komplexität verbunden ist, wollen wir nicht bestreiten. Unserer Erfahrung nach ist das jedoch ein kleiner Preis für die zusätzlichen Ertragspotenziale, die sich dadurch erschließen lassen.

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