GCI | Mai 8, 2018

Warum eine gute Finanzplanung die Grundlage für jede Finanzierung ist

Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen in Österreich ist der möglichst zeitgerechte und unkomplizierte Zugang zu Finanzmitteln eine Herausforderung und im Bedarfsfall überlebensnotwendig. Viele Eigentümer-, aber auch Management-geführte Unternehmen stoßen dabei immer wieder an ihre Grenzen.

Ein Grund dafür ist, dass das Thema Finanzplanung in manchen Fällen eine nur untergeordnete Rolle spielt – und damit verwechselt wird, lediglich die G&V für das nächste Budgetjahr über grobe Prozentsätze zu adaptieren. Für den Banktermin die Eckwerte des letzten Geschäftsjahres zu kommentieren, reicht heute nicht mehr aus. Eine einjährige Plan-Bilanz, die der Steuerberater erstellt hat, wird dem Anspruch an eine gute Finanzplanung ebenso wenig gerecht wie ein Geschäftsjahr, dessen Änderungen nur über grobe Prozentsätze und rein auf der G&V-Ebene budgetiert wurden.

Nur 50 Prozent der österreichischen KMUs verfügen über eine mehrjährige integrierte Finanzplanung mit ausreichendem Detaillierungsgrad. So sollte zumindest ein monatlicher Soll-Ist-Vergleich möglich sein, was nicht immer der Fall ist. Und lediglich ein Drittel verfügt über das, was man “eine szenariofähige Finanzplanung” nennt.

Die Folge: Sollte zusätzlicher Mittelbedarf absehbar sein, wird das nicht rechtzeitig erkannt. Und wenn es dann einmal eng wird, fällt es vielen heimischen KMUs schwer, kurzfristig finanzielle Mittel zu lukrieren – weil im Vorfeld Fehler gemacht wurden und sich in den vergangenen Jahren die Finanzierungsbedingungen deutlich geändert haben.

Die traditionelle Finanzplanung sieht in Österreich üblicherweise so aus: Es gibt eine Gewinn- und Verlustrechnung, damit geht man zum Steuerberater und der erstellt eine Bilanz. Diese wird meist erst gegen Jahresmitte des nächsten Jahres fertig. Parallel schaut man sich das vergangene Jahr an und ändert vielleicht einzelne Positionen um ein paar Prozent.

Zum Beispiel werden Kollektivvertragserhöhungen, die Inflation oder steigende Materialpreise berücksichtigt. Vielleicht setzt man sogar manchmal noch ein Ziel darauf und macht auf Basis dieser Parameter dann sein Budget. Doch die gesamte Mechanik und Systematik, die sich auf der Markt- und Kundenseite und speziell in der Entwicklung des gebundenen Kapitals abspielt, bleibt zumeist unberücksichtigt.

Das ist schade, denn mit einer professionellen Business Planung ließen sich nicht nur finanzielle Engpässe vermeiden, sondern auch Chancen identifizieren und Potenziale umsetzen. Hier einige Empfehlungen:

Einzelsicht vermeiden

Eine beinahe klassische Schwäche ist, dass zu wenige Faktoren in die Finanzplanung einbezogen werden. Speziell wird die notwendige Verknüpfung zwischen den Cash-Elementen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung ungenügend berücksichtigt.

Das heißt: Man achtet nicht darauf, was sich auf allen Working Capital Positionen verändern könnte, wie sich zum Beispiel die einzelnen Zahlungspositionen verändern, welche Kunden welche Veränderungen durchmachen könnten und wie sich damit die Struktur des Betriebes verändert.

Man untersucht nicht, wie sich Währungsschwankungen im Gesamtsystem auswirken, wie sich Veränderungen im Produkt- und Sortimentsmix niederschlagen – oder was es heißt, wenn man zum Beispiel zwar einen günstigeren Zulieferer aus Fernost gewonnen hat, dieser aber nur auf Basis von Teilzahlungen und nur volle Container liefert.

Auf Monatsebene planen

Außerdem ein gängiger Fehler: die Businessplanung erst zu Jahresende nur für ein Jahr und vor allem auch nur auf Ebene eines Gesamtjahres durchzuführen. Finanzierungslücken tauchen zumeist irgendwann unter dem Jahr auf. Eine gutes Budget muss zumindest auf Monate detailliert werden – vielleicht sogar auf Wochenebene, wenn es große Unsicherheiten oder grobe Unwägbarkeiten bei der Liquidität gibt.

Ziel muss es sein, eine integrierte und szenariofähige Planung zu erstellen, mit dieser unterschiedliche Varianten durchzuspielen und einen mögliche Finanzierungsbedarf im Unternehmen auf Sensitivitäten zu analysieren. Aus diesen Ergebnissen lassen sich dann wichtige Informationen und Maßnahmen ableiten: Zum Beispiel, wie und mit welcher Intensität das Kreditoren- und Debitorenmanagement während des laufenden Geschäftsjahres gesteuert wird, welche Zielbestände im Jahresverlauf angestrebt werden oder welche Zeiträume für die Finanzierung von Investitionen besonders günstig sind.

Fragen an sich selbst stellen

Es gibt einige Fragen, die man an sich selbst und sein eigenes Unternehmen stellen sollte und für deren Beantwortung man eine durchdachte und transparente Geschäftsplanung braucht. Nur wenn ein Unternehmer oder Geschäftsführer diese Antworten kennt, kann er die richtigen Steuerungsmaßnahmen rechtzeitig setzen. Zum Beispiel:

  • Wie wirken sich Maßnahmen aus dem Kreditoren- und Debitorenmanagement aus? Welche Flexibilität ergibt sich daraus und in welchen Bereichen ist die Auswirkung auf die Liquidität am stärksten?
  • Was bedeutet es für die Finanzierungssituation, wenn sich zum Beispiel die Umsätze des eingeplanten neuen Online-Vertriebs durch Projektverzögerungen um Monate verschieben?
  • Was genau heißt es, wenn das Unternehmen, wie vom Vertrieb gefordert, einzelnen Kunden ein Zahlungsziel von 90 statt 60 Tagen einräumt?
  • Was würde es bedeuten, wenn das Unternehmen einen neuen, deutlich günstigeren Zulieferer gewinnt, dieser aber auf Vorauskasse besteht?
  • Welche Auswirkungen ergeben sich mittelfristig aus dem Eintritt in einen neuen Markt und dem damit verbundenen Aufbau von Konsignationslagern?
  • Welche Konsequenzen hätte es, wenn mittelfristig die Zinsen im Euro-Raum wieder auf das historische Normalniveau steigen?
  • Welche Liquiditätsreserven könnte das Unternehmen durch welche Maßnahmen kurzfristig generieren, um zum Beispiel Akquisitionschancen zu nutzen?

Eine zu wenig detaillierte Planung

Zu wenig detailliert plant man, wenn man über einige Faktoren und nicht von Grund auf aufbauend plant. Alle zwei, drei Jahre gehören die Grundlagen der Finanzplanung eines Unternehmens neu überlegt und durchforstet – im Hinblick darauf, ob angesichts vielleicht geänderter Rahmenbedingungen noch alles stimmt..

Fragen, die sich dabei stellen könnten, sind zum Beispiel: Hat sich das Produktportfolio geändert, wurden die Spezifikationen adaptiert oder hat ein Geschäftszweig eine neue Struktur erhalten? Gab es eventuell eine Verschiebung im Sortiments-, Länder- oder Kundenmix? Bei einer detaillierteren grundlegenden Neuplanung sollten außerdem auch bestehende Annahmen hinterfragt werden. Denn nicht alles, was “gesetzt” erscheint, muss auch so bleiben!

Fehlende Verknüpfung operativer Abläufe mit Plan-Szenarien

Es ist eine Herausforderung, das Planungssystem so aufzubauen, dass es möglich ist operative Stellschrauben anzupassen, geänderte Bedingungen abzubilden und Sensitivitäten für die verschiedensten Szenario-Änderungen in der G&V, der Cash-Flow-Rechnung und der Bilanz rasch zu erkennen. Die entscheidende Fragen ist dabei immer: “Was passiert, wenn?”

  • Was bedeutet es zum Beispiel, wenn ein Unternehmen von einem Einschicht- auf einen Zweischicht-Produktionsprozess umstellt?
  • Wie wirkt sich die Verlängerung oder die Verkürzung der Wertschöpfungsstruktur aus?
  • Welche Auswirkungen ergeben sich, wenn ein Teilbereich fremd vergeben wird?
  • Wie wirkt sich die Aufnahme eines zusätzlichen Sortiments auf das Unternehmen aus?
  • Macht es kurz- und mittelfristig Sinn eine neue Region zu bearbeiten?

Diese Themen muss man dann nicht nur für sich selbst klären können, sondern auch für die Gespräche mit Finanzierungspartnern vorbereitet haben. Es ist entscheidend, den Ansprechpartnern für eine Finanzierung kompetent erläutern zu können, wie sich unterschiedliche Grundannahmen, Geschäftsstrukturen, Initiativen und Szenarien auf den Unternehmenserfolg und auf den Finanzbedarf auswirken. Denn Erfolgskennzahlen und Finanzierungsbedarf können kurz- und mittelfristig diametral auseinander liegen.

Maßgeschneidert planen

Wir bei GCI erstellen diese Businessplanungen immer maßgeschneidert für unsere Kunden. Das zahlt sich aus. Denn wenn man als Unternehmen auf Basis eines soliden Finanzplanungsprozesses den Businessplan sorgfältig, professionell und umfassend umsetzt, verfügt man über ein Instrument, das hilft, die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung besser zu verstehen, und das daher die unternehmerische Steuerung wesentlich erleichtert.

Nur so lassen sich Soll-Ist-Vergleiche kurzfristig und aussagekräftig durchführen. Ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf ist dann früher erkannt und besser argumentiert – und damit sind die Finanzierungspartner auch leichter, schneller und früher zu überzeugen.

Fünf Tipps für die professionelle Finanzplanung:

1. Eine Frage der Zeit: Einen professionellen Finanzplan erstellt man nicht von heute auf morgen. Planen Sie einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen ein. Ein Monat ist ein gängiger Zeitraum, wenn man die Sache richtig angeht – in komplexen Fällen kann der Planungsprozess auch länger dauern. Aber es lohnt sich.

2. Finanzplanung ist internes Teamwork: Nur der Geschäftsführer und der Controller, die sich die Businessplanung untereinander ausmachen – das wäre deutlich zu kurz gegriffen. Alle Abteilungs- oder Bereichsleiter eines Unternehmens sollten eingebunden sein, aktiv beitragen und Verantwortung übernehmen.

3. Tiefe zählt: Eine gute Finanzplanung geht in die Tiefe und bindet alle im Unternehmen verfügbaren Informationen ein – die Parameter sollten mindestens auf Monatsebene detailliert sein.

4. Aktualität ist wichtig: Jeder Businessplan sollte aktuell gehalten werden – er wird im Soll-Ist Vergleich monatlich überprüft und bei Bedarf adaptiert. Zumindest jedes halbe Jahr sollte er in der Tiefe hinterfragt und idealerweise rollierend weiterentwickelt werden.

5. Integriert und szenarienfähig: Nur in der engen Verzahnung zwischen G&V, Bilanz und Cash-Flow-Rechnung erhält man die wesentlichen Informationen, um aus den Szenarien die entscheidenden Inputs für eine proaktive Steuerung zu holen.

Fazit: Eine professionelle Businessplanung ist ein entscheidendes Instrument der Führung, um mit einem gelegentlichen Blick in den Rückspiegel gut in Zukunft steuern zu können – sie ist wie eine Versicherung für eine erfolgreiche Zukunft. Die Kosten, die eine gute Planung verursacht, sind damit eigentlich wie eine Versicherungsprämie zu betrachten. Wer seine Finanzplanung als Unternehmenschef professionell, sorgfältig und umfassend betreibt, der schafft sich damit automatisch mehr unternehmerische Sicherheit im Alltag. Professionelle Finanzplanung ist damit eine Conditio sine qua non für jedes unternehmerische Handeln. Also auch für die Finanzierung.

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