Andreas Frischherz | Juli 18, 2023

Sales Forecasting: Vertriebssteuerung mit Blick in die Zukunft

Wer sich nur am Rückspiegel orientiert, kommt selten ans Ziel. Trotzdem ist der Blick in der Vertriebsplanung und -steuerung oft rückwärtsgewandt. Die Absatzplanung erfolgt vielfach im Rahmen von Jahresbudgets, in denen historische Werte unhinterfragt fortgeschrieben werden. Dadurch kann zumindest manches recht zuverlässig vorhergesagt werden: Ein erhöhtes Out-of-stock-Risiko, ein Mehrbedarf an Working Capital, vermeidbare Leerlaufzeiten in der Produktion und zusätzliche Rüstkosten aufgrund von Schnellschüssen. Um das zu verhindern, braucht es unserer Erfahrung nach einen rollierenden Sales Forecast. Wir zeigen, warum und wieso gerade jetzt umso mehr.

Die meisten Industrieunternehmen stehen aktuell vor der Herausforderung, volatile Bedarfe und instabile Lieferketten managen zu müssen. Vertriebs- und Produktionssteuerung werden dadurch nicht leichter, aber umso wichtiger. Denn wenn die Verfügbarkeit von Vormaterialien unzuverlässiger wird, ist eine möglichst akkurate Bedarfsprognose von wesentlicher Bedeutung. Dennoch setzt sich angesichts der erhöhten Unwägbarkeiten in vielen Betrieben eine Resignationsstimmung durch.

Fahren im Nebel

Gegenwartsnahe oder gar vorausschauende Vertriebsplanung ist im Durchschnittsbetrieb generell ein vernachlässigtes Thema. Bei relativ konstanten Absatz- und Lieferbedingungen ist das zwar ungünstig, aber in vielen Fällen verzeihlich. Die momentane Situation macht allerdings ein Umdenken nötig, weil der Blick nach vorne in turbulenten Zeiten erfolgsentscheidend sein kann. 

Ein auf Vergangenheitswerten basierendes Absatzbudget kann die notwendige Vorausschau nicht liefern. Und selbst wenn zukünftige Entwicklungen mit einkalkuliert werden, sind die Ergebnisse bei Planungshorizonten von bis zu 18 Monaten typischerweise kaum haltbar. Trotz der geringen Aussagekraft ist die Budgeterstellung erfahrungsgemäß in vielen Unternehmen mit einer enormen, punktuellen Anstrengung verbunden. Unterjährig entsteht dadurch zusätzlicher Mehraufwand in Bezug auf funktionsübergreifende Abstimmung, funktionale Ressourcensteuerung sowie für Abweichungsanalyse und -erklärung:

  • Ohne verlässlichen Sales Forecast kann das Beschaffungs- und Fertigungsmanagement nicht entsprechend zielgerichtet vorausplanen. Die Abstimmung zwischen Produktion und Vertrieb muss dann ad hoc erfolgen – mit dem Risiko von Leerkapazitäten oder Engpässen und Nicht-Verfügbarkeiten. Ein Vorgehen, das oft auf Kosten von Auslastung, Service Levels und Kundenzufriedenheit geht.
  • Auch dem Controlling wird es dadurch verunmöglicht, zu einer realistischen Ergebnis-Planung zu kommen. Ein tendenziell erhöhter Working-Capital-Bedarf erschwert das Finanzmanagement zusätzlich.
  • Dem Vertriebsteam fehlt mangels rollierendem Sales Forecast ein effektives Kontroll- und Steuerungsinstrument. Er spiegelt nämlich idealerweise die Machbarkeit jener Absatzziele wider, die in den vertrieblichen Einzelkundenstrategien festgelegt und im Betreuungskonzept mit konkreten Maßnahmen unterlegt wurden. Ohne ihn kann die erwartbare Entwicklung von Kundenabsätzen und -profitabilitäten nicht mit konkreten Zielwerten verglichen werden.

Rollierendes Sales Forecasting

Wer die Absatz- und Produktionsplanung dagegen von einem rollierenden Sales Forecast ableitet, erhält verlässlichere, aktualisierte Ergebnisse und erspart sich darüber hinaus auch den geballten Aufwand einer einmaligen Jahresplanung. Indem das Forecasting quartals- oder monatsweise mit einem Planungshorizont von 12+ Monaten angelegt wird, verteilt sich der Ressourceneinsatz auf mehrere Planungsmomente, die mit dem Alltagsgeschäft meist auch besser vereinbar sind. Der Gesamtaufwand erhöht sich dadurch erfahrungsgemäß nicht – der Erkenntnisgewinn ist allerdings in jedem Fall signifikant. Je engmaschiger der Vertrieb plant, desto genauer wird der Forecast den aktuellen Wissensstand reflektieren. Das rollierende Sales Forecasting kann dann als zuverlässige Single Source of Truth im Unternehmen dienen, an der sich alle Funktionen im Unternehmen gleichermaßen orientieren können. Welcher Planungsrhythmus und Detailgrad dabei sinnvoll sind, entscheidet sich je nach Branche und Bedarfslage im Einzelfall.

Mögliche Widerstände

Was die Vertriebsarbeit mittel- und langfristig für gewöhnlich erleichtert und verbessert, wird vom Vertriebsteam unmittelbar oft als unerwünschter Mehraufwand wahrgenommen. Es ist deshalb eine zentrale Aufgabe der Vertriebs- und Unternehmensführung, die Bedeutung und Vorteile einer rollierenden Planung für alle Beteiligten sichtbar zu machen und ihre Umsetzung laufend einzufordern. Die gute Nachricht ist: Das Vertriebsteam, das hierbei die Hauptverantwortung trägt, muss dafür keine neuen Informationen erheben. Das relevante Wissen ist in den meisten Betrieben ohnehin bereits vorhanden. Beim rollierenden Sales Forecasting geht es darum, dieses zu sammeln, zugänglich zu machen und mit jenen Unternehmensbereichen – der Beschaffung, der Produktion und dem Controlling – zu teilen, deren Planungsroutinen davon abhängen.

An der Schnittstelle zum Kunden ergibt sich oft ein Blick in die Zukunft, der den Innendiensten verstellt bleibt: Eine strategische Neuausrichtung des Kunden, Veränderungen in seinem Produktportfolio oder ein geplanter Werksstillstand. Wer es schafft, Informationen wie diese bzw. deren Auswirkungen regelmäßig in einen rollierenden Sales Forecast zu überführen, gewinnt dadurch eine verlässliche Planungsgrundlage – und mehr Klarheit beim Blick nach vorne. Eine schrittweise Anleitung zur Erstellung eines Forecasts stellen wir Ihnen im kostenlosen Download bereit. Wir wünschen Ihnen gute Sicht!

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