Andreas Frischherz | Mai 15, 2023

Betreuungskonzept: Einzelkundenstrategie umsetzen, Differenzierungsvorteil schaffen

Im Leben und im Unternehmertum gibt es wenige Dinge, von denen man pauschal abraten kann. Ein “One size fits all”-Ansatz im B2B-Geschäft ist eines davon. Denn Unternehmen, die sich die Differenzierungsarbeit in der Kundenbetreuung sparen, verlieren dadurch erfahrungsgemäß mehr als sie gewinnen. Zu diesem Schluss sind wir auch hier bereits gekommen. Nur mit Hilfe von Einzelkundenstrategien können Differenzierungspotenziale adressiert und Commoditisierungsrisiken reduziert werden. Für ihre Operationalisierung braucht es klare Betreuungskonzepte, die die Touchpoints definieren und den Ressourceneinsatz auf Einzelkundenebene regeln – und Führungskräfte, die ihre Umsetzung konsequent nachhalten.

Leadership bedeutet auch: Sicherzustellen, dass beschränkte Vertriebsressourcen optimal eingesetzt werden. Das klingt einfacher als es ist. Denn im Tagesgeschäft sind es oft nicht die vielversprechendsten Kunden, die am intensivsten betreut werden, sondern jene, die Service-Extras am vehementesten einfordern. Um das zu kanalisieren , braucht das Vertriebsteam klare Anhaltspunkte für den Einsatz seiner Zeit und den Spielraum für Zugeständnisse. Die notwendige Orientierung schafft idealerweise das Betreuungskonzept. 

Es basiert auf den Ergebnissen der Kundensegmentierung und den daraus abgeleiteten Einzelkundenstrategien. Aus unserer Beratungserfahrung wissen wir, dass die Herausforderung dabei oft weniger in der Entwicklung des Betreuungskonzepts liegt, als vielmehr in seiner konsequenten Umsetzung. Als Führungskraft gilt es, die  Vertriebsaktivitäten immer wieder mit der angestrebten Zielausrichtung abzugleichen und gegebenenfalls notwendige Veränderungsprozesse eng zu begleiten. Das Selbstverständnis des Vertriebsteams ist dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Vom Verkaufen zum Steuern

Wer im Vertrieb arbeitet und sich darin als Verkäufer*in versteht, wird stets versucht sein, die eigenen Kunden um jeden Preis zufriedenzustellen. Das ist eine überholte Auslegung der Kernfunktion des Vertriebs, die sich allerdings nur allzu hartnäckig hält. Das Ergebnis: Kostenintensives, aber wenig zielführendes Client Pleasing. Vertriebsmitarbeiter*innen, die ihre Steuerungsverantwortung wahrnehmen, haben dagegen gelernt, manchmal auch Nein zu sagen. Denn sie wissen: Was den einzelnen Kunden unmittelbar zufriedenstellt, kann mittel- und langfristig dem Gesamterfolg im Weg stehen. Die Überprüfung des eigenen Verhaltens auf die Konformität mit der strategischen Vertriebsausrichtung erfordert in vielen B2B-Unternehmen ein Umdenken, das nur langsam in Gang kommt. Der Shift im vertrieblichen Mindset muss dem bewussten Einsatz von Ressourcen jedoch vorausgehen.

Maßgeschneiderte Serviceangebote als Differenzierungsmerkmal

Der Differenzierungsstrategie kommt im B2B-Geschäft besondere Bedeutung zu, weil die Alleinstellung über reine Produkteigenschaften zunehmend schwierig wird. Mehr darüber lesen Sie hier. Umso wichtiger ist es daher, eine Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb auf Ebene von Dienstleistungen anzustreben und den Wert der verfügbaren Serviceleistungen gegenüber Verkauf und Kunden klar zu kommunizieren. Allzu oft werden diese mit einer Selbstverständlichkeit angeboten und in Anspruch genommen, die ihrem Nutzen nicht gerecht wird. 

Das haben wir auch immer wieder bei Kunden aus der produzierenden Industrie erlebt. Auf Basis dieser Erfahrungen entwickelten wir eine Handhabe, die dem wirkungsvoll entgegenwirkt:

  • Zunächst wird erhoben, welche Serviceleistungen aktuell und in Zukunft den Kunden angeboten werden sollten. Denn oftmals ist gar nicht transparent, welches Leistungsbündel ein Unternehmen seinen Kunden “mitverkauft”.
  • Im nächsten Schritt wird jede Leistung im Serviceportfolio mit einem Listenpreis bewertet. Dies sollte idealerweise wertbasiert erfolgen, kann in einem ersten Schritt aber auch kostenbasiert durchgeführt werden.
  • In weiterer Folge werden diese Leistungen in der Kundenkommunikation entsprechend aktiv ausgelobt und z.B. auf den Kundenrechnungen nun mit diesem Listenpreis angedruckt.
  • In der Definition der Kundensegment Strategien werden ausgewählte Serviceleistungen in die jeweiligen Segment-Betreuungskonzepte integriert oder als zusätzliche und aufpreispflichtige Services ausgewiesen. Strategisch bedeutsamen Kunden werden viele bzw. alle Services im Rahmen ihres Betreuungskonzeptes zukünftig angeboten – allerdings auf Basis einer harten Kosten-Nutzen-Bewertung und Segmentprofitablilitätsbetrachtung.
  • Anderen Kunden bzw. Segmenten wird der Zugang zu diesen Services nicht verwehrt, aber zusätzlich über den standardmäßigen Leistungsumfang hinaus konsumierte Services werden künftig separat in Rechnung gestellt.

Entscheidend ist dabei ein gemeinsames Verständnis darüber, welche Services im standardmäßigen Leistungsumfang (eines Kundensegmentes) inkludiert sind. Sowohl Vertrieb als auch Kunden brauchen Klarheit über das mögliche Servicespektrum, den Wert einzelner Services und deren Verrechnungsmodalität. Im Zuge von Preis- bzw. Konditionsverhandlungen sind die zukünftig in Anspruch genommenen Produkt-Service-Bündel mit den einzelnen Kunden entsprechend zu definieren und Abrechnung und Vergütung der Services festzulegen. Ziel dabei ist es, dem Kunden die Entscheidung über eine zukünftige Inanspruchnahme einzelner Services auf Basis einer individuellen Kosten-Nutzen-Bewertung zu überlassen. Dies gibt auch Rückschlüsse für eine Weiterentwicklung der Bepreisung von Services in Zukunft. 

Betreuung, die über den Vertrieb hinausgeht

Im Zuge des Betreuungskonzepts werden auch die über den Vertrieb hinausgehenden Touchpoints mit weiteren Unternehmensbereichen festgelegt. Das kann zum Beispiel die Anwendungstechnik betreffen, das Produktmanagement oder die Forschung und Entwicklung. Ziel ist es, definierte Potenzialkunden im Rahmen ihres Kauf-Entscheidungsprozesses organisatorisch so zu spiegeln, dass sich optimale Touchpoints im eigenen Unternehmen ergeben. Wieso das keine triviale Aufgabe ist, lesen Sie hier. Jedoch kann nur auf diese Weise sichergestellt werden, dass Kundenanfragen und -bedürfnisse von der Stelle im eigenen Unternehmen betreut werden, die die höchste Kompetenz im jeweiligen Bereich besitzt. Das kann insgesamt natürlich einen beträchtlichen Ressourceneinsatz bedeuten, der durch die individuellen Zielsetzungen, die in der Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Kunden verfolgt werden, jedenfalls gerechtfertigt sein muss. Im anderen Extremfall kann es empfehlenswert sein, Vertriebsaktivitäten stark zurückzunehmen  und bestimmte Kunden zum Beispiel ausschließlich über Online-Shops zu servicieren. Erfahrungsgemäß wird oft unterschätzt, wie viele Kunden – bei moderaten Preisreduktionen – mit einem “no frills”-Angebot eigentlich ihr Auslangen fänden.

Mit der Erkenntnis, wie sehr sich ein Betreuungskonzept vom anderen unterscheiden kann und muss, um den Bedürfnissen eines spezifischen Kunden(segments) gerecht zu werden, schließt sich der Gedankenkreis: One size fits none. Es liegt in der Verantwortung der Führungsperson, diese Idee als gemeinsamen Ansatz im Unternehmen zu etablieren. Den Startpunkt dafür bildet die Einzelkundenstrategie. Die Kernfragen, die sich dabei stellen, haben wir im kostenlosen Download für Sie zusammengefasst. Davon lassen sich im Folgeschritt individuelle Betreuungskonzepte ableiten, die den Ressourceneinsatz im Unternehmen zielgerichtet aussteuern. So können Sie sich als Anbieter auch dann einen Differenzierungsvorteil erarbeiten, wenn sich die Produkte im eigenen Markt immer mehr angleichen. Viel Erfolg!

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