Walter Maderner | September 6, 2023

Geschäftsmodellinnovation: Mehr als Selbstzweck

Innovation nur um der Innovation willen ist sinnlos. Dahinter muss ein zusätzlicher Kundennutzen oder ein Ersparnispotenzial stehen, denn von der Liebe zum Neuen allein ist noch nichts gewonnen. Um sicherzustellen, dass sich das Geschäftsmodell nicht an den Kundenbedürfnissen vorbeientwickelt, braucht es einen analytischen Denkrahmen. Mit dem Business Model Canvas können Sie Geschäftsmodelle darstellen und ihren Beitrag zur Wertschöpfung überprüfen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie dabei vorgehen können.

Neue Technologien sind oft Enabler für das Entstehen innovativer Geschäftsmodelle. Manchmal schießen technikaffine Unternehmen dabei allerdings übers Ziel hinaus. Das Ergebnis heißt Overengineering und beschreibt Anwendungen, die in ihrer Entwicklung oft viel Zeit und Geld kosten, aber am Ende keinen zusätzlichen Kundennutzen stiften. Damit Geschäftsmodellinnovation nicht zum Selbstzweck wird, gilt es diese Fehler zu vermeiden:

  • Liebhaberei
    Die Freude an der Innovation macht noch kein Erfolgsmodell. Wenn es für die Anwendung kein entsprechendes Kundenbedürfnis gibt, ist auch mit den bahnbrechendsten Entwicklungen kein Gewinn zu erwirtschaften.
  • Luftschlösser
    “Think big” ist oft zurecht das Motto unternehmerischer Innovationsprozesse. Allzu große Vorhaben können die verfügbaren Ressourcen allerdings schnell übersteigen.
  • Stagnation
    Unternehmen, die keine Luftschlösser bauen, fallen nicht selten ins andere Extrem: Stagnation. Die Gründe dafür sind meist fehlender Mut zu neuen Ansätzen und die Angst vor Selbst-Kannibalisierung.
  • One size fits all
    Oft ist die Differenzierung im Leistungsversprechen gegenüber den Kunden zu gering. Wieso das problematisch sein kann, lesen Sie hier


Business Model Canvas als Denkrahmen

Wer sicherstellen möchte, dass Geschäftsmodellinnovation auch wirtschaftlich sinnvoll ist und zur Zukunftssicherung des Unternehmens beiträgt, kann das Business Model Canvas als Kontrollinstrument nutzen: Mithilfe von 9 wesentlichen Komponenten erfasst es die Quintessenz eines Geschäftsmodells und gibt Auskunft über das damit verbundene Ergebnispotenzial. Erfinder des Business Model Canvas ist Alexander Osterwalder, der in seinem Buch “Business Model Generation” dieses Modell eingeführt und beschrieben hat. Das Modell ist stark von Porter’s Value Chain inspiriert. Wir haben die Business Model Canvas Darstellung aufgegriffen und für unsere Zwecke adaptiert und weiterentwickelt.

1. Zielkunden
Zunächst gilt es festzustellen, welche Zielkunden bzw. -segmente mit dem jeweiligen Geschäftsmodell angesprochen werden sollen. Dafür braucht es ein tiefgreifendes Verständnis der Kundenbedürfnisse und -verhaltensweisen. Mehr darüber erfahren Sie hier.

2. Leistungsversprechen
Das Leistungsversprechen sollte an den festgestellten Kundenbedürfnissen ausgerichtet sein. Denn nur wenn es ein relevantes Kundenproblem löst, kann Mehrwert für das Zielsegment und das Unternehmen generiert werden.

3. Kundenbeziehung
Persönliche Kundenbeziehungen sind nicht immer automatisch die besseren. Die optimale Servicierung hängt vor allem von den Bedürfnissen der Zielkunden ab. Dabei kann je nach Bedarf ein Onlineportal genauso zielführend sein wie die personalisierte Betreuung durch Vertriebsmitarbeiter*innen.

4. Customer Touchpoints
Customer Touchpoints reichen von der Kundenakquisition über die Angebotserstellung, Auftragsabwicklung und Leistungsabnahme bis hin zu After-sales Service und gegebenenfalls Reklamationsbearbeitung. Entsprechend vielfältig sind die Ausgestaltungsmöglichkeiten der einzelnen Berührungspunkte. Im Zentrum sollte in jedem Fall die Frage stehen, wie die Zielkunden erreicht und angesprochen werden möchten.

5. Kernaktivitäten
Im Rahmen der Kernaktivitäten geht es darum, festzustellen, welche Leistungen notwendig sind, um das Versprechen an die Kunden zu erfüllen. Dabei sind die zentralen und differenzierenden Aktivitäten von jenen zu unterscheiden, die non-core sind.

6. Kernressourcen
Je nach Geschäftsmodell variiert auch der Ressourcenbedarf. Von physischen Anlagen über Arbeitskräfte und Kapital können unterschiedliche Faktoren zur Leistungserstellung notwendig sein. Sofern die Organisation nicht bereits über die erforderlichen Ressourcen verfügt, braucht es entsprechende Beschaffungswege.

7. Partnernetz
Selten kann ein Unternehmen allein alle Leistungen erstellen, die für die Erfüllung des Kundenversprechens notwendig sind. Daher ist es von wesentlicher Bedeutung, die wichtigsten Partner gezielt auszuwählen und festzulegen, welche Aktivitäten und Ressourcen sie beitragen.

8. Kostenstruktur
Definieren Sie die Kostentreiber und -arten des Geschäftsmodells, um festzustellen, welche Kosten kritisch sind. Das hilft Ihnen, die zugrunde liegende Kostenlogik zu durchleuchten und die Profitabilität einzuschätzen.

9. Erlösmodell
Am Ende steht die Preisfrage: Wofür sind die Zielkunden tatsächlich bereit zu zahlen? Sofern man von der Annahme ausgeht, dass die Geschäftsmodellinnovation die Zahlungsbereitschaft der Kunden erhöht, bleibt zu entscheiden, über welches Pricing-System sich die Erträge realisieren lassen.

Wer Geschäftsmodelle anhand dieser Kriterien prüft, kann frühzeitig Schwachstellen und Potenziale aufdecken. In unserer Beratungspraxis hat sich dieses Vorgehen vielfach bewährt, um Innovationsansätze weiterzuentwickeln oder zu verwerfen. Die Herausforderung dabei besteht erfahrungsgemäß darin, Geschäftsmodelle entsprechend ihrem Beitrag zum Unternehmenserfolg zu selektieren. Das erfordert ein hartes, faktenbasiertes Vorgehen, das bei Innovationsbegeisterten auf Enttäuschung stoßen mag, schlussendlich aber auch den Selbstzweck vom Mittel zum Zweck unterscheidet. Um Sie bei dieser schwierigen, aber notwendigen Aufgabe zu unterstützen, stellen wir Ihnen im kostenlosen Download weiterführende Erklärungen und Beispiele zur Verfügung.

 

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