Philip Wolfsteiner | Januar 10, 2024

Geschäftsmodellinnovation in der Praxis: Von der Vision zum Produkt-Service-Angebot

Wer Neues wagt, ist entweder gutgläubig oder gut vorbereitet. Denn das Branchenwissen und die Erfahrungswerte aus dem angestammten Ursprungsmarkt sind meist nicht auf neue Geschäftsfelder umlegbar. Darum kommt es bei der Geschäftsmodellinnovation auf eine strukturierte Konkretisierung und Evaluierung der Vision an. Nur so kann das Risiko hinsichtlich ihres Gewinn- und Verlustpotenzials zuverlässig abgebildet und bewertet werden. Im Fall eines Anbieters von Drohnenflügen wandelte sich eine vage Idee im Lauf dieses Evaluierungsprozesses zum soliden Erfolgsmodell.

 

Meist sind Geschäftsmodellinnovationen nicht das Ergebnis von Schreibtischarbeit, sondern von Praxiserfahrung. So war es auch bei einem mittelständischen Unternehmen, das im Kerngeschäft Luftaufnahmen für Betreiber von Hotel- und Wellnessanlagen anbietet. Im Zuge der Drohnenflüge wurde zuletzt eines immer auffälliger: Die rasante Zunahme von Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern der fotografierten und umliegenden Gebäude. Die Gründe dafür liegen auf der Hand:

  • Im Vergleich zu anderen Energieformen hat die Photovoltaik eine sehr positive Umweltbilanz.
  • Besonders in Zeiten steigender Energiepreise bieten PV-Anlagen eine kostengünstigere Alternative zum Strombezug über Netzbetreiber.
  • Im Rahmen von Förderaktionen gibt es vielerorts Investitionszuschüsse für die Anschaffung von PV-Anlagen.

Der Zufall als Opportunität

Aus dieser zufälligen Beobachtung entwickelte sich bald eine neue Geschäftsidee. Nicht alle gesichteten PV-Anlagen schienen nämlich im besten Zustand zu sein. Von beschädigten Solarmodulen über Verschmutzungen bis hin zu ungünstigem Schattenwurf durch umliegende Bäume konnten durch die Drohnenaufnahmen viele Schwachstellen aufgedeckt werden. Die Idee, diese Informationen den entsprechenden PV-Betreibern anzubieten, war genauso naheliegend wie vielversprechend. Denn durch die Zustandserfassung und das Ergreifen etwaiger Maßnahmen kann das Ertragspotenzial von PV-Anlagen erheblich verbessert werden.

Womit ist zu rechnen?

Die Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells ist oft von großer Euphorie getragen. Was dabei allerdings nicht vergessen werden sollte, ist seine Evaluierung anhand eines Bewertungsmodells. Dieses gibt Aufschluss über die mögliche Kosten- und Erlösstruktur, die wiederum die Basis für den Business Plan schafft. Wir nutzen als Ausgangsbasis dafür das sog. Business Model Canvas, das wir hier im Detail vorstellen. Es bietet einen hilfreichen Denkrahmen, um neue Geschäftsmodelle abzubilden und ihren Beitrag zur Wertschöpfung zu erheben. Wie das am Beispiel der Inspektion von PV-Anlagen mittels Drohnen aussehen kann, erfahren Sie im kostenlosen Download. 

Business Model Canvas in der Praxis

Ein häufiges Defizit bei der Bewertung von Geschäftsmodellinnovationen ist die mangelnde Konkretisierung des Leistungsangebots, der dafür notwendigen Ressourcen und Absatzmöglichkeiten. In der Beratungspraxis erkennen wir das auch daran, dass oft die Erstellung eines Business Plans angefragt wird, wenn die Kernelemente des Geschäftsmodells noch nicht detailliert genug ausgearbeitet sind. Darum setzen unsere Projekte bei der Geschäftsidee an, aus der wir ein oder mehrere spezifische Produkt-Service-Angebote entwickeln. Dabei hat sich ein schrittweises Vorgehen bewährt:

  1. Erstellung eines Leistungskonzepts
    Zuerst helfen wir unseren Kunden, das Leistungsversprechen zu präzisieren und seinen Nutzen im Hinblick auf die relevanten Kundenbedürfnisse abzustecken. Auch die Formen der Leistungserstellung und -bereitstellung werden gemeinsam definiert und bewertet.
  2. Ableitung eines Bewertungsmodells
    Basierend darauf erstellen wir ein finanzielles Erlös- und Kostenmodell, das Aufschluss über die Profitabilität des Geschäftsmodells gibt und als Grundlage für den Business Plan und seine Szenarien dient. Dem Erlösmodell kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da insbesondere digitale Lösungen dahingehend einen größeren Spielraum bieten als klassische Angebote. Mögliche Ansätze reichen von transaktionsbezogenen über verfügbarkeits- und nutzungsabhängigen bis hin zu ergebnisabhängigen Modellen. Eine Übersicht inklusive Beschreibungen und Beispielen finden Sie im Download.
  3. Erstellung eines Business Plans
    Ein aus unserer Sicht besonders kritischer Schritt ist die Erstellung eines finanziellen Business Plans, also das in-Zahlen-Gießen der Geschäftsidee. Klarerweise stecken in dieser Phase noch erhebliche Unsicherheiten in den Planungsannahmen und viele der Prämissen beruhen auf groben Schätzungen. Unsere Erfahrung zeigt allerdings, dass die intensive Auseinandersetzung mit der Ergebnismechanik eines Geschäftsmodells einen großen Erkenntnisgewinn liefern kann. Insbesondere dann, wenn die genutzten Planungsmodelle entsprechende Szenarien und Simulationen erlauben. Welche Merkmale ein gutes Modell aufweisen soll, lesen Sie übrigens hier.
  4. Entwicklung einer Pilotanwendung
    Sofern das Ergebnis vielversprechend genug ausfällt, um mit der Geschäftsidee in die Umsetzung zu gehen, planen wir eine pilothafte Anwendung und Lancierung. Auf diese Weise können die getroffenen Annahmen in einem abgegrenzten Rahmen überprüft werden. Was die Leistungsqualität, Kundenakzeptanz und Zahlungsbereitschaft betrifft, kann diese Phase sehr aufschlussreich sein.

 

Wer Neues wagt, muss sich also bewusst sein: Ein Restrisiko bleibt. Ob sich eine Geschäftsidee schlussendlich bewährt oder nicht, kann nur die Praxis zeigen. Dennoch reicht der gute Glaube allein meist nicht aus, um neue Geschäftsmodelle erfolgreich auf Schiene zu bringen. Entscheidend ist unserer Erfahrung nach ein konkretes Leistungs- und Risikoverständnis. Dafür liefern das Business Model Canvas, ein solider Business Plan und ein strukturiertes, schrittweises Vorgehen einen hilfreichen Rahmen. Viel Erfolg!

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