Andreas Frischherz | Juli 4, 2019

Widerstand gegen Veränderung: Vom Umgang mit Angst und Interessenpolitik im Change Management

Eine der schwierigsten Herausforderungen, mit der Führungskräfte konfrontiert sind, ist der Umgang mit dem Widerstand gegen Veränderungen. Während der Widerstand selbst vielfältige Formen annehmen kann, ist die Ursache dafür in den meisten Fällen gleich: Angst. Veränderungen schaffen Unsicherheit und bedrohen oftmals die  Eigeninteressen von Mitarbeitenden – es ist also durchaus nachvollziehbar, dass auf geforderten Wandel meist nicht mit spontaner Begeisterung reagiert wird. Doch wie geht man damit um in einem hyper-dynamischen Wirtschaftsumfeld, in dem kontinuierliche Anpassung zum entscheidenden Überlebensfaktor geworden ist?

Der Wandel ist die einzige Konstante

In der Natur wie in der Wirtschaft gilt: Es überlebt nicht wer am stärksten ist, sondern wer am anpassungsfähigsten ist. Unsere Industrie befindet sich heute im steten Wandel. Unternehmen, die nachhaltig erfolgreich sein wollen, müssen Schritt halten.

Es handelt sich in den wenigsten Fällen um spektakuläre technologische Revolutionen, den Wegfall bzw. Bedeutungsverlust traditioneller Fähigkeiten oder sogar Massenentlassungen, sondern vielmehr um die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen an sich ständig wandelnde Rahmenbedingungen. Das gilt insbesondere für kleinere Veränderungen, die sich kontinuierlich in der Art und Weise der Zusammenarbeit, im Alltag, am Standort einer Anlage sowie eines Schreibtischs, in der Neu-Definition von Verantwortlichkeiten und Positionen ergeben oder vollziehen. Keine dieser Veränderungen macht Schlagzeilen, aber insgesamt machen sie einen Großteil der Unternehmensentwicklung und laufenden Produktivitätssteigerung aus.

Veränderungen schaffen oftmals Unsicherheit über die Kompatibilität mit den Eigeninteressen der betroffenen Mitarbeitenden – es ist also durchaus nachvollziehbar, dass auf geforderten Wandel meist nicht mit spontaner Begeisterung reagiert wird.
Folgt daraus, dass eine Geschäftsführung dazu verdammt ist, widerständigen Teams Veränderungen aufzuzwingen, um die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens zu sichern? Unsere Antwort ist Nein. Denn wenn Veränderungsprogramme scheitern, dann meist nicht an den Widerständen selbst, sondern aufgrund des Umgangs mit ihnen.

Die vielen Gesichter des verdeckten Widerstands

Unsere Beratungserfahrung hat gezeigt, dass der am wenigsten zielführende Weg, mit Einwänden und Kritik umzugehen, der ist, sie aus einer autoritären Position heraus für nichtig zu erklären und vom Tisch zu fegen. Damit bewirkt man am Ende lediglich, dass sich der Widerstand in den Untergrund verlagert. Das hat zwar den angenehmen Nebeneffekt, dass man sich als Führungskraft nicht mehr damit auseinandersetzen muss, jedoch unterbindet man damit auch jegliche Art der Kommunikation und Konfliktlösung.

Widerstand, der nicht offen vorgebracht werden kann, löst sich deshalb aber nicht in Wohlgefallen auf, sondern sucht sich andere Wege. Sobald Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen, dass es nicht opportun ist, ihre Bedenken gegenüber der Führungsebene zu artikulieren, werden sie dies stattdessen gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen tun. Die Folgen: Aufgeregtes Geflüster in den Stiegenhäusern, zunehmend passivere Arbeitshaltung, sinkende Produktivität, vermehrte Versetzungsanträge und Kündigungen.

Ängste ernst nehmen, Widerstände abbauen

Um dies zu verhindern und Veränderungsprozesse möglichst effektiv und reibungslos zu gestalten, haben sich folgende Strategien in der Praxis bewährt:

  1. Hintergründe darlegen
    Um Wandel erfolgreich zu initiieren, gilt es zunächst, nachvollziehbar zu begründen, wieso dieser nötig ist. Veränderungsprozesse sollten demnach nicht mit der Information über geplante Maßnahmen beginnen. Vielmehr geht es im ersten Schritt darum, zu vermitteln, weshalb überhaupt Handlungsbedarf besteht. Denn die Veränderung verlangt den Menschen in den allermeisten Fällen das Heraustreten aus der Komfortzone ab, was tendenziell unbequem und angstbehaftet ist. Nur wer die Hintergründe und Sinnhaftigkeit einer Veränderung nachvollziehen kann, wird demnach für sie zu gewinnen sein
  2. Ambitionierte, aber erreichbare Ziele festlegen
    Das Setzen von Stretch-Targets hat motivationspsychologisch eine bedeutende Rolle für den Erfolg von Veränderungsprozessen. Die Ziele sollten idealerweise
    – herausfordernd genug sein, um eine innovative Lösungsfindung zu motivieren und das gesamte Verbesserungspotential auszuschöpfen, aber auch
    – realistisch genug, um nicht Gefahr zu laufen, dass die Verantwortlichen von Vornherein resignieren.
  3. Partizipation in der Maßnahmenentwicklung ermöglichen
    Fest steht, dass niemand Widerstand gegen Lösungen leistet, die er oder sie selbst mitentwickelt hat. Je mehr sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter also selbst in die Planung und Umsetzung einbringen können, desto größer wird ihre Akzeptanz gegenüber Maßnahmen sein, die einem gemeinsamen Verständnis entspringen.
  4. Widerstände gemeinsam aufarbeiten
    Wie aber nun damit umgehen, wenn Widerstand aufkommt? Die meisten Menschen reagieren auf Einwände und Ängste reflexartig mit Beschwichtigungen und Verharmlosungen, sie versuchen zu beruhigen und bewirken dabei oft genau das Gegenteil. Denn Angst löst sich nicht durch gut Zureden.Stattdessen fühlt sich das Gegenüber dadurch missverstanden und allein gelassen. Eine Auflösung ist nur möglich, wenn wir uns den Ängsten stellen. Das bedeutet: Genau zuhören, nachfragen, um zu verstehen, und dabei helfen, den Ängsten ungeschminkt ins Gesicht zu schauen. Im Artikel ‘How to Deal With Resistance to Change’ schreibt der Harvard Business Review dazu: “The key to the problem is to understand the true nature of resistance. Actually, what employees resist is usually not technical change but social change – the change in their human relationships that generally accompanies technical change.” Das anzuerkennen löst das zugrundeliegende Problem zwar nicht, aber es schafft Verständnis, nimmt Druck aus der Situation und führt so zu einer Entschärfung.

Am Wandel führt heute kein Weg mehr vorbei. Da keine Veränderung ohne Widerstand kommt, ist jede Führungskraft unweigerlich damit konfrontiert. Mehr denn je rücken dadurch Kommunikationsfähigkeiten wie Empathie, Offenheit, Klarheit, Transparenz und Konsistenz in den Fokus. Leadership im Change-Kontext zeichnet sich durch Dialog aus. Diese Einsicht mag banal erscheinen, ihre Umsetzung ist es dagegen keinesfalls. Der Fakt, dass in der Praxis heutzutage zwar viel informiert, aber wenig kommuniziert wird, zeigt, dass auch hier ein Wandel nötig ist. Nur Mut zur Veränderung!

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