GCI | Mai 15, 2018

Finanzierungsmix – welche Möglichkeiten für Sie am besten passen

In den vergangenen Jahren hieß es immer wieder, die Klein- und Mittelständischen Unternehmen in Österreich seien relativ schlecht eigenkapitalfinanziert. Auch wenn die Suche nach Nachfolgern oder Investoren weiterhin ein Thema bleibt, so stimmt das nicht mehr ganz, denn mittlerweile hat sich die Eigenkapitalquote der KMUs stetig verbessert. Daher gewinnt nun auch wieder die Frage an Bedeutung, ob man sich bei der Finanzplanung mehr auf die Innenfinanzierung – speziell die Nutzung von im Unternehmen vorhandenen Working Capital – oder auf die Außen- oder Fremdfinanzierung verlassen sollte.

Im Fall der Fremdfinanzierung ist es für Unternehmer und Manager wichtig, einen Überblick über die verschiedenen Basel-Regelungen zu haben. “Basel I”, “Basel II” und “Basel III” stellen gemeinsam jenes Regulativ dar, an das sich Banken in der Europäischen Union bei der Vergabe von Krediten halten müssen.

Basel I:

Unter dem Schlagwort “Basel I” wurde bereits vor Jahren festgelegt, dass Banken über Eigenmittel in der Höhe von zumindest acht Prozent aller von ihnen vergebenen Kreditbeträge verfügen müssen. Weil diese Regelung während der Wirtschaftskrise, die Europa ab 2008 in ihren Klauen hielt, aber nicht mehr ausreichend war, wurden zusätzlich die sogenannten “Basel-II”-Regelungen eingeführt.

Basel II:

Unter dem Schlagwort “Basel II” wurden den Banken strengere Maßstäbe bei der Beurteilung von Kreditnehmern auferlegt – sie müssen seit dem Inkrafttreten die Ausfallwahrscheinlichkeit und die Verlusthöhe bei tatsächlichem Ausfall viel strenger prüfen. Damit haben die internen Ratings der Banken für Kreditnehmer sehr an Bedeutung gewonnen.

Basel III:

Der Begriff “Basel III” beschreibt ein weiteres Paket an Auflagen für Banken bei der Kreditvergabe, das zu Beginn des Jahres 2014 EU-weit geregelt und nach Übergangsbestimmungen ab 2019 vollständig umgesetzt sein wird. Damit wurde die Definition verschärft, was Eigenmittel sind und wie diese zu bewerten sind.

Hauptziel von Basel III war und ist es, die Eigenkapitalvorschriften für Banken und deren Auslegung strenger zu gestalten und damit Risiken im Finanzsystem weiter zu minimieren. Für den Mittelstand wurde damit vielfach die Risikomarge erhöht und der Erhalt von Krediten teurer und schwieriger.

Welche Möglichkeiten im Finanzierungsmix sind nun die gängigsten? Hier eine kurze und unvollständige Auflistung, die die wesentlichsten Varianten berücksichtigt:

 

1. Working Capital (Innenfinanzierung)

In der Innenfinanzierung steckt für heimische Unternehmen zweifellos viel Potenzial. Manchmal lassen sich da richtige kleine Schätze heben. Um diese zu orten, bedarf es von den Beständen über das Mahnwesen bis zur Konditionsgestaltung hoher Detailgenauigkeit in der Analyse und Konsequenz in der Umsetzung.

Vielleicht wird gerade deshalb das Thema Innenfinanzierung immer noch viel zu wenig beachtet. Vor allem KMUs sind gut beraten, vor dem Gang zur Hausbank noch einmal und immer wieder kritisch darüber nachzudenken, wie sie bereits im eigenen Unternehmen vorhandenes, aber brachliegendes Kapital in frei verfügbare liquide Mittel umwandeln könnten.

Üblicherweise erfolgt die Innenfinanzierung entweder aus dem Umsatzprozess heraus – also de facto über einbehaltene Gewinne – oder über die Vermögensumschichtung, also die Optimierung des Working Capitals, aber auch zum Beispiel über den Verkauf nicht betriebsnotwendiger Vermögensgegenstände oder über die zusätzliche Freisetzung von Potenzialen durch Kostensenkungsmaßnahmen.

Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: Die Mittelbeschaffung ist kostengünstig, ebenso die Mittelverwendung. Das Thema Rückzahlungsverpflichtung entfällt völlig. Ebenso muss man keinerlei Sicherheiten beistellen, wie das bei Außenfinanzierungen in der Regel der Fall ist. Und man bleibt als Unternehmen in seinen Planungen, Entscheidungen und Aktionen völlig unabhängig. Außerdem sind Unternehmen agiler, die es verstehen ihr Working Capital effizient zu steuern – und sie sind in ihren Prozessen effizienter und damit wettbewerbsfähiger.

Generell gilt natürlich: Je besser die Eigenkapitalausstattung ist, umso größer ist die Selbstfinanzierungskraft eines Unternehmens. Das Thema Innenfinanzierung wird in den kommenden Jahren jedenfalls wohl weiter an Bedeutung gewinnen.

2. Förderungen (Fremdfinanzierung)

Das Förderthema an sich sollte im Kern nicht als Bestandteil des Finanzierungsmixes betrachtet werden. Projekte sollten auch ohne Förderungen finanzierbar sein. Eine Förderung kann jedoch helfen den Business Case deutlich zu verbessern oder das eigene Risiko reduzieren – sie jedoch als Finanzierungsform und notwendige Annahme mit in die Projektplanung einzubauen, wäre nicht zu empfehlen.

Wie so oft muss man das natürlich im Einzelfall genau betrachten. Allgemein gilt aber: Förderungen sollten nicht als Finanzierungs-Bestandteil, sondern als Add-on gesehen werden.

3. Bankenfinanzierung (Fremdfinanzierung)

Die klassische Bankenfinanzierung, die in den vergangenen Jahren als Folge der Wirtschaftskrise für Mittelständler oft eine ungewohnte Hürde darstellte, hat mittlerweile wieder deutlich an Dynamik gewonnen. Banken sind aktuell deutlich aktiver und nützen die Möglichkeiten, die ihnen der Basel-III-Rahmen bietet, besser aus.

Maßnahmen der Europäischen Zentralbank haben zusätzliche Liquidität in den Markt gepumpt und die Bedingungen für Kreditvergaben wesentlich verbessert. Davon unabhängig ist jedoch zu erwarten, dass für kleinere Unternehmen bei klassischen Bankenfinanzierungen die Hürden in Zukunft nicht geringer werden.

In der Finanzierungsentscheidung der Banken spielt nun das Rating eine umso größere Rolle – und damit ist es für KMUs wirklich wichtig, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Sie sollten verstehen, welche Elemente mit welchem Gewicht in das Rating Eingang finden – denn nicht nur Finanzkennzahlen, sondern auch qualitative Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Jede Bank hat ihr eigenes Ratingsystem. Man sollte dabei auch auf vermeintlich unwichtige qualitative Details achten. Das kann sogar so weit gehen, dass es eine Rolle spielt, über wie viel Erfahrung der Firmeneigentümer verfügt oder wie schnell ein Unternehmen in der Lage ist, Unterlagen bereitzustellen.

Auch die Qualität des Managements spielt eine Rolle, ebenso der Wettbewerbsdruck in der Branche und vieles mehr. Banken hüten ihre Ratingsysteme üblicherweise als strenges Geheimnis – aber als KMU muss man sich damit rechtzeitig beschäftigen, um zu wissen, an welchen Schrauben man drehen muss und kann. Nachfragen lohnt sich.

Mit professionellen Prozessen – auch im Finanzbereich – kann ein Unternehmer seine Bankberater und die dahinter stehenden Risiko-Manager positiv beeindrucken und sein Rating verbessern.

Weiters wichtig ist die Frage: Wie oft soll man mit seiner Bank sprechen? In vielen Fällen findet ein Gespräch zwischen Unternehmen und ihrer Hausbank einmal im Jahr statt, meist nach der Bilanzerstellung, was zu selten und meist zu spät ist. Will man gut für eine Bankenfinanzierung vorarbeiten, sollte man so ein Gespräch öfter suchen – denn auch regelmäßige, zeitnahe und qualitativ verlässliche Information ist bei den meisten Banken ein Rating-Kriterium.

4. Leasing (Fremdfinanzierung)

Es ist schwierig, generell zu eine spezifischen Finanzierungsvariante zu raten oder von ihr abzuraten. Man muss im jeweiligen Einzelfall entscheiden, was besser ist – Kredit oder Leasing oder Factoring oder eine andere Form.

Leasing hat – wenn es richtig gestaltet ist – gegenüber dem klassischen Kredit jedenfalls den Vorteil, dass die Leasingraten zur Gänze als Betriebsausgabe geltend gemacht werden können und daher den steuerlichen Gewinn mindern. Außerdem muss der volle Investitionsbetrag nicht auf einmal aufgebracht werden, was der Liquidität gut tut. Das Leasingobjekt geht auch nicht als Eigenkapital in die Bilanz ein, weil es in der Regel der Leasinggesellschaft gehört. Allerdings kann Leasing bei einer vorzeitigen Vertragsauflösung zu höheren Belastungen führen als eine Kreditfinanzierung. Und zumeist sind laufende Leasingverträge sogar überhaupt unabänderbar.

5. Factoring (Fremdfinanzierung)

Factoring einzusetzen, galt früher als Indiz für Finanzschwäche. Heute erfreut sich diese Finanzierungsform immer höherer Beliebtheit. Sie verbessert die Liquidität, weil die Factoring-Gesellschaft Forderungen von Lieferanten bevorschusst – in der Regel in der Höhe von bis zu 80 Prozent. Macht man als Unternehmen von einer Factoring-Lösung Gebrauch, kann die zusätzliche Liquidität zum Beispiel für ein Skonto bei eigenen Lieferanten genutzt werden. Damit kann Factoring dann eine überaus attraktive Finanzierungsform sein.

Weil bei Factoring zumeist auch eine Debitorenversicherung im Angebot der Factoring-Gesellschaft inkludiert ist, sinkt zusätzlich das Risiko. Außerdem lässt sich für KMUs sehr oft auch der Verwaltungsaufwand reduzieren, weil de facto mit einer Factoring-Lösung auch die Debitorenbuchhaltung und das Mahnwesen an die Factoring-Gesellschaft ausgelagert werden.

6. Crowd Funding (“Fremdfinanzierung”)

Seit 2015 gibt es neue gesetzliche Rahmenbedingungen, die die Schwarmfinanzierung ermöglichen. Durch die Kombination von den Vorteilen der Digitalisierung und dem Internet als Vertriebskanal, haben sich damit vor allem für Start-ups neue Möglichkeiten eröffnet.

Aus Sicht eines Mittelständlers bietet diese Form des Nachrangkapitals eine zusätzliche Option im Finanzierungsmix, gegebenenfalls sogar einen Hebel für andere Finanzierungsformen und letztlich auch einen hohen Marketingnutzen.

Eine gute Vorbereitung, eine strukturierte Geschäftsplanung und die richtige Erwartung an die Potenziale des Crowdfundings spielen dabei eine besondere Rolle. Auch wenn Crowdfunding in Summe gegenüber klassischeren Finanzierungsformen keine wesentliche Rolle spielt, ist davon auszugehen, dass sich in diesem Bereich in Zukunft deutlich mehr bewegen wird. Im Einzelfall kann diese Finanzierungsform einen sehr wichtigen Puzzlestein bilden.

Weitere Finanzierungsmöglichkeiten der Fremdfinanzierung

Anleihen, stille Beteiligungen oder auch Mezzaninkapital sind weitere Finanzierungsmöglichkeiten, wobei sich je nach Ausgestaltung sogar Varianten mit deutlichem Eigenkapitalcharakter ergeben können. Ob sie passen und Sinn ergeben, muss im Einzelfall überlegt und entschieden werden. In unserer aktuellen Finanzierungsstudie erheben wir, welche Finanzierungsformen für den Mittelstand besonders attraktiv sind.

Auf jeden Fall ist es empfehlenswert, kompetente externe Berater zu einem Finanzierungsprojekt hinzuzuziehen – und zwar nicht erst dann, wenn das Projekt bereits kurz vor dem Start steht und der Termin mit der Bank bereits fixiert wurde, sondern bereits lange davor – etwa bei der Erstellung einer Finanzplanung.

Fünf Tipps, die man beim Finanzierungsmix beachten sollte

1. Professionell auftreten: Bankgespräche sollten als Chance gesehen werden, das eigene Unternehmen vorzustellen und die Rahmenbedingungen für die finanzielle Risikominimierung zu verbessern. Wichtig ist es daher, gegenüber den Banken professionell aufzutreten – über aussagekräftige Unterlagen zu verfügen, auf Wunsch zusätzliche Informationen rasch zu liefern und plausible Argumentationen zu bieten.

2. Finanzierungsalternativen als Szenarien prüfen: Finanzierungen wirken sich auf die G&V und vor allem auf das Bilanzbild aus. So kann sich zum Beispiel die Bilanzsumme und damit die für das Rating relevante Eigenkapitalquote deutlich verändern. Es wird sinnvoll sein, alternative Finanzierungsformen planerisch einzubauen und den besten Mix herauszufinden.

3. Die Struktur ist wichtig: Die richtige Finanzierungsstruktur kann entscheidend sein – langfristig gebundenes Vermögen sollte auch langfristig finanziert sein, kurzfristig gebundenes Vermögen kurzfristig. Fristenkonformität ist das klassische Stichwort!

4. Die richtige Bank: Nicht immer muss die traditionelle Hausbank der ideale Finanzierungspartner sein. Es lohnt sich in jedem Fall, Gespräche mit verschiedenen Banken zu führen. Gerade für KMUs und bei kleineren Finanzierungen kann es sich lohnen, mit einer lokalen Bank zu reden. Eventuell ist es angenehmer, ein großer Kunde bei einem kleineren Institut zu sein, als ein kleiner Kunde bei einem sehr großen. Auch hier spielt der Mix in der Finanzierung eine Rolle.

5. Alternative Finanzierungen prüfen: Prüfen Sie, welche alternative Formen der Finanzierung gegebenenfalls für das Unternehmen auch passen könnte. Welche Sicherheiten werden gefordert, welche Dokumentation brauchen Sie, wie lange dauert der Finanzierungsprozess und gibt es eventuell auch zusätzliche Vorteile, die von Relevanz sind?

Fazit: Erste Priorität bei der Auswahl der Finanzierungsmöglichkeiten sollten immer die Prüfung der Innenfinanzierung sein. Die Optimierung des Working Capitals hat viele Vorteile, die über die reinen Finanzierungsfragen hinausgehen. Wie Sie sehen stehen viele Formen der Fremdfinanzierung zur Verfügung. Beachten Sie die fünf Tipps, wenn Sie sich aufmachen Fremdfinanzierung in Anspruch zu nehmen.

 

Weitere Artikel zum Thema

Philip Wolfsteiner | August 8, 2023

Zinswende: Working Capital als Finanzierungshebel

Die Beschaffung von Liquidität stellte in den vergangenen Jahren für die wenigsten Unternehmen ein Problem dar. Niedrige Zinsen, stabile Wirtschaftsbedingungen und geringe Ausfallrisiken erzeugten ein optimales Finanzierungsklima. Der Angriffskrieg auf die Ukraine und die Energiekrise haben diese Situation allerdings ins Gegenteil verkehrt: Sowohl die Zinswende als auch die anhaltend hohe Inflation stellen aktuell viele Unternehmen […]

Weiterlesen >
Philip Wolfsteiner | August 11, 2022

Working Capital Management: Im Spannungsfeld zwischen Liquidität und Rentabilität

An Working Capital braucht es so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Das ist ein simples Prinzip – seine Umsetzung war allerdings selten komplexer als heute. Denn Zinserhöhungen, die Disruption globaler Lieferketten und steigende Preise stellen das Working Capital Management aktuell vor enorme Herausforderungen. Eine Balance zwischen gebundenem Kapital und Liquidität zu finden, […]

Weiterlesen >
Alexander Kagan | August 5, 2021

Working Capital Management: Wie Sie Potenziale effektiv freisetzen

Wenn man sich Working Capital Kennzahlen aus der Bilanz ansieht, betrachtet man sehr wahrscheinlich den am wenigsten repräsentativen Stichtag des gesamten Geschäftsjahres.   Working Capital Management ist für viele Unternehmen ein herausforderndes Thema, aber auch eines, dass sehr viel Potenzial birgt, wenn es richtig angegangen wird. Im Rahmen der Bachelorarbeit „Einflüsse des operativen Working Capital […]

Weiterlesen >