Wie man durch Differenzierung der Supply Chain Kanäle aus der Commoditisierungsfalle kommt
In diesem Artikel wollen wir anhand eines Business Case aus der metallverarbeitenden Industrie veranschaulichen, vor welchen Herausforderungen durch Commoditisierung Premium Anbieter im Wettbewerb stehen, und wie State-of-the-Art Supply Chain Management dazu beitragen kann, sich auf das veränderte Markt- und Wettbewerbsumfeld erfolgreich einzustellen. Im Kern geht es darum zu zeigen, dass der Leitspruch One-size-fits-all durch eine differenzierte Betreuung der Kundensegmente abgelöst werden muss, will man weiterhin nachhaltig profitabel wirtschaften.
MetCo ist ein führender europäischer Player in der metallverarbeitenden Industrie. Als ursprünglich zentraleuropäischer Hersteller mit Produktionsstätten in Deutschland, Österreich, Frankreich und Spanien ist MetCo in den letzten zwei Jahrzehnten stark organisch und akquisitorisch gewachsen. Das Unternehmen verfügt aktuell über 23 Niederlassungen in mehr als 15 Ländern und erwirtschaftet mit etwa 1.300 Mitarbeitern mehr als eine halbe Milliarde Euro Umsatz. Mit über 200 Vertriebspartnern auf der ganzen Welt ist das Unternehmen in insgesamt 100 Ländern tätig. In mehr als hundert Jahren hat MetCo ein umfangreiches Know-how in seiner Branche aufgebaut und positioniert sich aktuell als Qualitäts- und Innovationsführer. Die Kundenschnittstelle mit den Funktionen Vertrieb, Anwendungstechnik und F&E ist darauf ausgerichtet, einen Premium Kundenservice anzubieten, um auch ausgefallenste Kundenwünsche zu befriedigen. MetCo versteht sich als Spezialitätenanbieter, der die gesamte Bedarfspalette der Industrie abdecken kann. Etwa die Hälfte des Umsatzes geht an Direktkunden, die andere Hälfte an meist nicht exklusive Händler, die zu den MetCo Produkten auch Produkte des Wettbewerbs und komplementäre Sortimente anbieten.
Zunehmende Commoditisierung des Marktes führt zu schleichender Margenerosion
MetCo agiert in einem sich zunehmend konzentrierenden Markt. So verringerte sich die Anzahl der strategisch eigenständigen Wettbewerber über Merger in der jüngsten Vergangenheit stetig. Die drei wichtigen großen Hauptwettbewerber verlegten ihre Produktionsstandorte in Länder mit geringeren Faktorkosten. Darüber hinaus wurden Vertrieb und Anwendungstechnik immer weiter „verschlankt“, bis hin zum Betreiben von Callcentern zur Auftragsabwicklung im osteuropäischen Ausland. Die anwendungs- wie auch abwicklungstechnische Unterstützung der Kunden wurde von Seiten des Wettbewerbs kontinuierlich heruntergefahren. Als flankierende Maßnahme drehte der Wettbewerber seit Jahren die Preisschraube weiter nach unten, um Marktanteile im nicht so Beratungs-sensitiven Bereich des MetCo Marktes zu gewinnen. Demgegenüber fuhr MetCo seine Premium Strategie weiter, und gewährte über die hochgradig autonom agierenden Vertriebs- und Service-Units seinen Kunden eine umfangreiche und qualitativ hochwertige technische Beratung und Vor-Ort-Betreuung.
Elemente der Premium Strategie waren neben einer breiten Produktpalette und exzellentem Produkt Know-how vor allem Supply Chain relevante Themen wie:
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Umfangreiche technische Beratung durch Vertrieb, Anwendungstechnik und F&E
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Hohe Flexibilität bei der Durchführung des Kundenauftrages im Hinblick auf Mindestmengen, Lieferzeiten, Verpackungen, kurzfristige Änderungen und Zahlungszielen
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Hohe Flexibilität bei der Fertigung engerer Toleranzen oder spezieller technischer Anforderungen und kundenspezifische F&E „on demand“
Vor diesem Hintergrund kamen MetCo´s Margen unter erheblichen Druck. Trotz klarer Positionierung im Spezialitätengeschäft, machten Commodities dennoch etwa 60% des Volumens aus, auf das man aus Gründen der Sortimentsabdeckung und der Produktionsauslastung auch nicht verzichten konnte.
Drei Ursachen der Margenerosion
Das Unternehmen musste handeln. Eine umfangreiche Analyse brachte drei Ursachen für den Verfall der Margen ans Licht:
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Die Kunden nahmen gerne die Beratungsleistungen der MetCo in Anspruch, kauften dann aber die Commodities nicht selten beim billigeren Wettbewerb oder verhandelten hartnäckig einen günstigeren Preis bei der MetCo.
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Commodity und Premium Produkte wurden über denselben aufwändigen Vertriebsprozess abgewickelt. Beide unterlagen den gleichen Regeln bei Bestellung und Abwicklung des Kundenauftrages. Auch bei den Losgrößen in der Produktion wurden nicht zwischen den Commodities und den Spezialitäten unterschieden.
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Das Selbstverständnis als Qualitäts- und Innovationsführer brachte es mit sich, dass MetCo sich auch bei Commodity Produkten Toleranzen anlegte, die enger als die im Markt üblichen waren.
Die Folge dieser undifferenzierten Marktbearbeitung waren Preisverfall und hohe Kosten aufgrund der ungebremst wuchernden Komplexität mit der Folge der Margenerosion.
One size does not fit all – nur eine differenzierte Marktbearbeitung schafft Abhilfe
- Universalstrategie als Utopie. Viele Unternehmen, die rund um ein Produktgeschäft dieses über Beratung in ein Lösungsgeschäft transformieren wollen, übersehen, dass es in jedem Markt Kundensegmente gibt, die preissensitiv sind und Beratung aus unterschiedlichsten Gründen so nicht benötigen. Diese preissensitiven Segmente kann man in einem beratungsintensiven Vertriebs-Setting nicht kostengerecht bedienen. Als Folge davon verliert man entweder Volumen oder das Preis- und Margenniveau erodiert.
- Differenzierte Marktbearbeitung heißt eine neue Supply Chain schaffen. Will man das Commodity Segment erfolgreich bedienen, dann muss man Produkt und Kundenprozess end-to-end denken. Beim Produktdesign und der Fertigung gewinnt man über Standardisierung und ggf. eine Erweiterung der Toleranzen einen gewissen Gestaltungsspielraum, der im Wesentlichen aber durch die anerkannten Standards im Markt etabliert wird. Der wirklich beeinflussbare Hebel ist die Gestaltung der Servicelevels und der Impakt auf die Kosten. In produzierenden Unternehmen mit einem Vormaterialanteil von etwa 50% stecken etwa 15 – 25% der Kosten in der Kundenschnittstelle (Vertrieb, Anwendungstechnik/ Technischer Vertrieb, Marketing, Engineering, Service Techniker, Call Center,…). So kann man über das Servicelevel die Kosten steuern, und auch im kompetitiven Commodity Marktumfeld wettbewerbsfähig bleiben. Damit die Servicelevels auch wirklich im Markt umgesetzt werden, müssen die Premium und Commodity Schiene organisatorisch strikt getrennt werden.
MetCo erkannte, dass die umfangreiche Premium Strategie überarbeitet werden musste. Die Ursachenfindung beim Margenverfall brachte auch schon die Ansätze einer Lösung ans Tageslicht: Da die Commodity Produkte recht gut gewissen Kunden zugeordnet werden konnten, ließ sich das Kunden/Produktportfolio in ein Commodity und ein Premium Segment gliedern. Das galt sowohl für die Endkunden als auch für die Händler. Das Management entschied für das Commodity Segment ein unterschiedliches Supply Chain Konzept zu erarbeiten, und fortan die Commodity Kunden über die neue Schiene zu bedienen. Eckpunkte der differenzierten Marktbearbeitung waren tiefgreifende Veränderungen vor allem in der Ausgestaltung der Kundenschnittstelle und Veränderungen in Produktion und Logistik über die Definition der Servicelevels. Im Einzelnen waren dies die
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Definition eines Commodity Produktsegments mit standardisiertem Pricing und Branding und marktkonformen Toleranzen. Die Commodity Produkte wurden zu einem Sortiment mit eigener Marke zusammengefasst, und die technischen Toleranzen auf ein marktübliches Niveau entschärft. Während die Preise für die Premium Produkte stets einzeln kalkuliert wurden, stellte man das Pricing der Commodity Produkte auf Preislisten um, von denen Kunden kundenspezifische Rabatte gewährt werden konnten, die nach der Kundengröße und strategischen Bedeutung nach klaren Regeln gestaffelt wurden. Sämtliche Sonderleistungen, die früher als Bestandteil eines „Premium Packages“ verstanden wurden, wie etwa Zertifikate oder spezielle Primär- oder Sekundärverpackungen wurden limitiert, standardisiert und getrennt in Rechnung gestellt. Das führte zu einer merklichen Entlastung der Vertriebsressourcen, da die Kalkulation und Preisfindung bei den Anfragen sich in der Vergangenheit als sehr aufwändig erwiesen hatten.
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Definition eines gesonderten abgespeckten Commodity Servicelevels für Commodity Geschäftsfälle. Das Management definierte einen Commodity Geschäftsfall als einen, bei dem ein Artikel ohne Rückfrage, Beratung oder Modifikation verkauft werden kann. Diese Geschäftsfälle lassen sich hochgradig automatisieren, und nach Definition fallen diese Geschäftsfälle fast ausschließlich mit den Commodity Produkten zusammen. Um sich vom Premium Segment zu differenzieren, definierte das MetCo Management minutiös das Servicelevel für das Premium und Commodity Segment entlang der wesentlichen Service Dimensionen. Dabei wurden auch die im Markt etablierten Servicelevels der Wettbewerber mitberücksichtigt. Als Resultat der Übung legte man Verfügbarkeiten, Reaktions- und Lieferzeiten fest, die zwar marktkonform waren aber eine Differenzierung zum Premium Level ermöglichten und zu Kosteneinsparungen führten. Man definierte Mindestbestellmengen und verlangte für die Änderung des Kundenauftrages drei Tage nach dessen Anlage einen Aufpreis. Eine Bestellung der Commodity Produkte sollte nur mehr über die neu geschaffene elektronische Bestellplattform ohne Einbindung des Vertriebes erfolgen. Jede Involvierung des Vertriebs-Innendienstes wurde über einen eigenen Service Tarif abgerechnet.
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Strukturelle Neuausrichtung der Kundenschnittstelle. Als eine Folge des neu definierten Prozesses und der Commodity Servicelevels wurde die Kundenschnittstelle neu ausgerichtet. Der Commodity Vertriebskanal wurde weitgehend zentral organisiert. Die Bestellungen wurden über ein Kundenportal mit elektronischem Produktkatalog, Ratgeber und Call Center Unterstützung abgewickelt, das die alleinige Aufgabe hatte, die auftretenden Probleme bei der Abwicklung des Kundenauftrags zu beheben. Wollte der Kunde eine spezifische Beratung, dann wurde er zur Premium Schiene hin verwiesen, wo er das Produkt auch kaufen konnte, aber dafür den Premium Preis zahlen musste. Die technischen Ressourcen der Anwendungstechnik und der F&E Abteilung standen fortan nur der Premium Schiene zur Verfügung und wurden entsprechend des Premium Geschäftes redimensioniert.
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Optimierung der Produktionsplanung und Vormaterialbeschaffung. Durch die Neudefinition der Servicelevels im Hinblick auf Verfügbarkeit und Lieferzeiten konnte die Planung der Produktion für die Commodity Produkte flexibilisiert und so Produktionsressourcen-optimaler ausgenutzt werden. Unter Berücksichtigung der Kosten der Kapitalbindung – die Commodity Produkte sind ausnahmslos Make-to-Stock Produkte – wurden Losgrößen optimiert. Ebenso führte die Lockerung der Toleranzen für die Produktgruppe zu mehr Flexibilität bei der Beschaffung des Vormaterials, was sich in einer Reduktion des Einstandspreises manifestierte.
- Reduktion von Kosten und Komplexität in der Logistik. Ebenso führten die Commodity Service Levels zu Einsparungen in der Logistik. So war es fortan nur mehr möglich, ganze Kartons oder Paletten zu ordern, es gab keine Extrawürste für Sekundärverpackungen, Beschriftungen und Zertifikate und Commodities wurden ausschließlich auf der Standardroute zum Kunden versendet.
Der Leidensdruck der sinkenden Margen erzeugte das Momentum, um die Widerstände in der Umsetzung zu überwinden. Der vollständige Umsetzungspfad der Supply Chain Neuausrichtung dauerte in der Konzeptentwicklung etwa ein halbes Jahr, die Implementierung etwa eineinhalb Jahre. Die neue Commodity Schiene wurde vom Markt gut angenommen, und die anfängliche Befürchtung der Kannibalisierung des Premium Geschäftes trat nicht ein, da auch vorher die Kunden nicht bereit waren, für eine Beratung oder die Extras ein Premium zu zahlen. Durch eine differenzierte Marktbearbeitung und konsequente Trennung von Premium und Commodity Angeboten konnte die Profitabilität beider Segmente nachhaltig erhöht und die Gefahr der Commoditisierungsfalle gebannt werden.
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