Andreas Frischherz | November 26, 2020

Wertorientierte Preisstrategie: Kundennutzen und Positionierung

Der Kundennutzen ist die wichtigste Determinante im Preismanagement. Gleichzeitig ist es aber auch die, die am schwersten zu ermitteln ist. So kommt es, dass viele Industrieunternehmen auf ein kostenbasiertes Pricing zurückgreifen. Dieser Ansatz ist aufgrund der internen Datengrundlage relativ einfach und schnell anzuwenden, ignoriert aber die Preisbereitschaft der Kunden völlig. Es ist eine einfache Antwort auf eine komplexe Problemstellung. Und eine gänzlich unzureichende. Wir zeigen, warum und geben Ihnen Anhaltspunkte, wie Sie Ihr Angebot mithilfe von Nachfrage- und Wettbewerbsanalysen profitabler positionieren können.

Es ist wohl kaum einem Unternehmen bewusst, wie viel Geld es mit der Cost plus-Methode auf der Straße liegen lässt. Anders kann man sich nicht erklären, wieso dieses Preismodell im B2B-Bereich noch immer so breite Anwendung findet. Denn Tatsache ist, dass die Preisbereitschaft von bestimmten Kunden mit den Herstellkosten der Lieferanten nichts zu tun hat. Vielmehr ist die Zahlungsbereitschaft ein Ausdruck des wahrgenommenen Kundennutzens – das Alpha und Omega im Preismanagement, wie wir hier bereits festgestellt haben.

Die Herausforderung einer wertorientierten Preisstrategie liegt also darin, eben diesen Kundennutzen bestmöglich zu ermitteln und basierend darauf kundenspezifische Angebote mit einem ausgewogenen Preis-Leistungsverhältnis zu entwickeln. Das ist meist mit mühevoller Kleinarbeit auf Einzelkunden-Ebene verbunden. Denn anders als im B2C-Sektor gibt es im B2B-Bereich oft keine Marktforschung, auf die zurückgegriffen werden kann. Die Nachfrageanalyse ist also eine Hausaufgabe, die jedes Industrieunternehmen in Einzelarbeit zu erledigen hat. Einige Ansatzpunkte dafür haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst.

Kunden kaufen keine Produkte, sondern ein Nutzenversprechen

Auf welchen spezifischen Faktoren beruht das Nutzenversprechen, das Ihre Kunden kaufen? Um das herauszufinden, gilt es zunächst eine Analyse der Nachfrage entsprechend der wertbestimmenden Faktoren und Leistungskomponenten anzustellen (z.B. durch eine Kundenbefragung). Dazu zählen:

  • Funktionale Leistungskomponenten
    wie Produkt- und allgemeine Service-Features
  • Prozessuale Leistungskomponenten
    wie Kommunikation, Informations- und Datenaustausch mit Kunden
  • Beziehungsbezogene Leistungskomponenten
    wie Betreuungsansatz durch Vertrieb, Anwendungstechnik und After-Sales Service, personalisierte Services und/oder gemeinsame Produktentwicklung
  • Symbolische und ethische Leistungskomponenten
    wie Nachhaltigkeit, Selbstwert, Prestige und Anerkennung

Basierend darauf kann die Nachfrage in einem nächsten Schritt in unterschiedliche Leistungssegmente geclustert werden. In Abhängigkeit der wahrgenommenen Leistung können dann entsprechende Preisniveaus im Markt erhoben bzw. abgeleitet werden, die der jeweiligen Zahlungsbereitschaft für diese Leistungsbündel entsprechen. Daraus wird klar: Wenn die angebotene Leistung kundenseitig als niedrig wahrgenommen wird, kann dafür langfristig kein hoher Preis realisiert werden. Die Zahlungsbereitschaft orientiert sich immer am wahrgenommenen Kundennutzen.

Im Gegensatz dazu würde aber eine hohe wahrgenommene Leistung zu einem niedrigen Preis am Markt durchaus Erfolg haben. In diesem Fall wird die Preisbereitschaft allerdings nur unzureichend abgeschöpft, da die Kunden bereit wären, für dieses Nutzenangebot einen höheren Preis zu bezahlen. Es können sich also je nach Leistungsdichte unterschiedliche Preislevels für eine Anwendung oder ein Marktsegment ergeben. Eine grafische Darstellung der Positionierungsmatrix nach Kundennutzen, sowie weiterführende Erklärungen finden Sie im Download.

Eine solche Analyse gibt Ihnen Aufschluss über wesentliche Preis-Wert-Relationen in den jeweiligen Anwendungs- bzw. Kundensegmenten. Im Rahmen eines wertorientierten Preismanagements nutzen Sie dieses Verständnis für die Ableitung spezifischer Hebel für eine Repositionierung.

Kein Unternehmen ist eine Insel

Aller Wahrscheinlichkeit nach sind Sie nicht der einzige Anbieter am Markt bzw. im Anwendungs- oder  Kundensegment. Deshalb ist es essentiell, den differenzierenden Wert Ihres Angebots für ein bestimmtes Leistungssegment im Vergleich zum Mitbewerb zu kennen. Im Speziellen geht es bei der Wettbewerbsanalyse darum,

  • die aktuelle Positionierung des Mitbewerbs zu ermitteln,
  • die eigenen Stärken und Schwächen vis-á-vis dem Wettbewerb zu erkennen und
  • mögliche zukünftige Positionierungen und damit verbundene Preis- bzw. Absatzpotenziale zu identifizieren.

Ziel dieser Analyse ist es also, ein Verständnis für erfolgversprechende  zukünftige Wettbewerbspositionen in Bezug auf die wahrgenommene Leistung bzw. den wahrgenommenen Preis zu entwickeln. Sie hilft dabei, einerseits zu erkennen, wo möglicherweise Marktanteilsverluste drohen bzw. welche Hebel zur Verfügung stehen, um mögliche Marktanteilsgewinne zu generieren sowie andererseits wo bestehende Preispotenziale im Wettbewerb existieren.

So können Sie beispielsweise mit einer Niedrigpreis-Positionierung für eine relativ höhere wahrgenommene Leistung Marktanteile dazugewinnen – allerdings auf Kosten des nicht realisierten Preispotenzials. Umgekehrt werden Sie Marktanteile an den Mitbewerb verlieren, wenn Sie ein relativ ungünstigeres Preis-Leistungsverhältnis anbieten. Auch zu dieser preisstrategischen Überlegung finden Sie eine Grafik im Download.

“Den Kunden” gibt es nicht

Um sich langfristig vom Mitbewerb abzuheben, gilt es, einzelne B2B-Kunden eines Leistungssegmentes in den Fokus des Unternehmensinteresses zu rücken. Als Anbieter stehen Sie keiner anonymen Masse gegenüber, sondern individuellen Abnehmern mit spezifischen Bedürfnissen und Herausforderungen, Preissensitivitäten und Absatzpotenzialen. Nicht alle Kunden reagieren gleich auf Preisveränderungen. Auch Bedarfs- und Beschaffungsvolumina differieren stark von Einzelfall zu Einzelfall. Dementsprechend lassen sich Kunden entsprechend ihrer Attraktivität aus Lieferantensicht – ausgedrückt durch die Kombination ihrer relativen Preissensitivität und des spezifischen Absatzpotenzials – einordnen und segmentieren.

Diese Segmentierung schafft nun die Basis für die Ableitung spezifischer Pricing-Strategien und Zielpreise und ein Verständnis zukünftiger (einzel)kundenbezogener Ertragspotenziale (Preis und/oder Menge). Denn den allgemeinen Marktpreis gibt es unserer Erfahrung nach in B2B-Märkten nicht, sondern Preissetzung im B2B-Geschäft bedeutet die Bestimmung eines Preispunktes, der eine faire Bewertung des Nutzens eines Produkt-Service-Bündels aus Sicht der einzelnen Kunden widerspiegelt.

Mehr über diesen und weitere Mythen im Preismanagement lesen Sie hier.

Abschließend wollen wir wiederholen, was auch hier bereits beschrieben wurde: Pricing is detail! Wer also die volle Preisbereitschaft am Markt abschöpfen möchte, muss zunächst verstehen, welchen Nutzen einzelne Kunden aus dem eigenen Angebot ziehen, in welchem Verhältnis dieser zum Nutzenangebot des Mitbewerbs steht und wie hoch die Preissensitivität der Kunden ist. Nur auf dieser Informationsgrundlage kann eine zielgenaue Preisstrategie aufbauen, die das Ertragspotenzial am Markt realisiert. Die Alternative ist, sich diese Mühe zu sparen und auf die Möglichkeiten und Chancen eines professionellen Preismanagements zu verzichten. Die meisten Führungskräfte sind allerdings nicht in ihren Positionen, weil sie es sich gerne einfach machen, sondern weil sie die Herausforderung schätzen. Das wertorientierte Pricing ist eine, die sich lohnt zu meistern.

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