Andreas Frischherz | November 8, 2022

Vertriebseffektivität kurzfristig steigern – 9 Stellhebel

Die Vertriebsorganisation kann viele verschiedene Rollen annehmen: Enabler oder Bremser, strategischer Marktentwickler oder operativer Auftragsabwickler. In den meisten B2B-Unternehmen bewegt man sich irgendwo dazwischen. Das volle Potenzial der vorhandenen Vertriebsressourcen nutzen die wenigsten. Darum kann die Vertriebseffektivität oft schon kurzfristig deutlich gesteigert werden. Bei welchen 9 Stellhebeln wir dabei in unseren Beratungsprojekten ansetzen, lesen Sie hier.

„Am Vertrieb zu sparen – das ist der sicherste Weg in den Tod”, sagte ein Vorstandsmitglied des Schmierstoffherstellers Fuchs Petrolub einst gegenüber dem Handelsblatt. Einsparungen sind meistens der schwächste Hebel, um das Vertriebsmanagement kurzfristig zu optimieren. Denn meist liegen in der smarten Neuordnung der bestehenden Vertriebsressourcen die Chancen zur Erschließung ungenutzter Wachstumspotenziale. 

Darum bauen unsere Kurzfrist-Programme auch auf den vorhandenen Vertriebsressourcen und bestehenden Produkt- bzw. Service-Angeboten auf. In Zeiträumen von unter einem Jahr sind strukturelle Veränderungen im B2B-Geschäft(smodell) in den meisten Fällen ohnehin nicht möglich. Die Vorlaufzeiten für die Einführung neuer Produkte betragen nämlich typischerweise bis zu 3 Jahre und sind mit substanziellen Einmalkosten für Entwicklung, Testing, Probelieferungen und Zulassungen verbunden. Im Gegensatz dazu hat das Kurzfrist-Programm den Anspruch, nach 3 bis 9 Monaten bereits erste messbare Ergebnisse zu erzielen. Weil es dabei meist auch nur geringe Zusatzaufwendungen gibt, sind die Wachstumseffekte in den Deckungsbeiträgen unmittelbar ergebniswirksam.

Aus unserer Beratungserfahrung wissen wir, wo im B2B-Vertrieb häufig Optimierungspotenziale schlummern. Um sie auszuschöpfen, haben wir 9 Stellhebel definiert:

Potenzialkunden identifizieren
Wesentlich ist zunächst, den Unterschied zwischen Potenzial- und Großkunden zu erkennen. Denn die Abnehmer mit dem größten Volumen sind nicht notwendigerweise auch diejenigen mit dem höchsten Wachstumspotenzial. Und nach Letzterem sollte sich die Verteilung von Vertriebsressourcen im Sinne der Sales Force Effectiveness viel eher richten als nach Ersterem.

Kunden- bzw. segmentspezifische Betreuungsansätze entwickeln
Als Konsequenz aus den Ergebnissen der Potenzialkunden-Analyse gilt es, differenzierte Betreuungsansätze zu entwerfen. Wieso ein Vertriebsmanagement-Ansatz nach dem Motto „One Size Fits All” nicht zielführend ist, lesen Sie übrigens hier.

Kanalmix und Vertriebskapazitäten konsistent anpassen
Wenn die sinnvolle Betreuungsintensität je Segment bzw. Kunde festgestellt wurde, können der Kanalmix und die Vertriebskapazitäten entsprechend justiert werden. Dabei ergibt sich in der Regel eine Verschiebung der Ressourcen zugunsten neu definierter Zielkunden. Andererseits wird oft erkannt, dass Kunden, die bislang auf dem direkten Vertriebsweg betreut wurden, ihre Aufträge möglicherweise über andere Kanäle effizienter abwickeln können. Das ist z. B. dann der Fall, wenn Kunden ausschließlich aus dem Bestandssortiment einkaufen und keine anwendungstechnische Beratung benötigen.

Kundenaktive Zeit des Außendienstes erhöhen
Das erklärte Ziel im Vertriebsmanagement muss sein, die kundenaktive Zeit des Außendienstes zu maximieren. Das ist die Zeit, die Vertriebsmitarbeitende mit kundenbezogenen Beratungs- und Betreuungsaktivitäten verbringen. In vielen Industrieunternehmen ist der Außendienst aber stark in der Auftragsabwicklung involviert. Idealerweise gelingt es, Vertriebsmitarbeitende von den administrativen Aufgaben rund um Order-Prozesse zu befreien, indem die Verantwortung dafür an einen Vertriebs-Innendienst bzw. eine Funktion Supply Chain Management übergeben wird. So können zusätzliche Freiräume für kundenaktive Zeit geschaffen werden.

Effizienz der Offer- und Order-Prozesse erhöhen
Neben einer reinen Automatisierung der Vertriebsaktivitäten liegen oftmals auch Effizienzreserven in der Differenzierung der Vertriebsprozesse. Entgegen der verbreiteten Praxis unterschiedliche Geschäftsfälle mit einem mehr oder weniger unveränderten Vertriebsprozess abzuwickeln, sollte man die Möglichkeiten eines Einsatzes spezifischer, standardisierter Abläufe für unterschiedliche Typen von Geschäftsfällen (z.B. straight rebuy, einfache bzw. komplexe Lösungen und Projekt/Großprojekt, etc.) prüfen.

Tools für operative Außendienstarbeit (weiter-)entwickeln
Mithilfe gepflegter Analysetools kann die Außendienstarbeit maßgeblich unterstützt werden. Wesentlich ist dabei, den Vertriebsmitarbeitenden einen Überblick über die echten Produkt- und Kundenprofitabilitäten zur Verfügung zu stellen. Dafür braucht es zunächst eine verursachungsgerechte Kostenallokation, die erfahrungsgemäß in vielen B2B-Unternehmen nicht ausreichend vorhanden ist. Sie bildet auch die Basis für eine effektive Angebots- und Auftragskalkulation.

Wenige, personifizierte Ziele für beeinflussbare Parameter setzen
Inwieweit strategische Vertriebsziele auf die Ebene der einzelnen Vertriebsmitarbeitenden heruntergebrochen werden, ist in hohem Maße ausschlaggebend für die Zielerreichung des Gesamtunternehmens. Dabei spielen natürlich auch die gesetzten Zielparameter eine zentrale Rolle – oft wird dafür lediglich der Absatz bzw. der Umsatz herangezogen. In der Regel ist es allerdings zielführender und ergebnisorientierter, stattdessen das Deckungsbeitragsvolumen als wesentlichen Parameter festzulegen.

Kennzahlen der Vertriebssteuerung bzw. des Funnel Managements und Incentives entsprechend weiterentwickeln
Wer es schafft, im eigenen Unternehmen neben aussagekräftigen ex-post Kennzahlen über die Vertriebseffektivität auch ein gemeinsames Verständnis über den jeweils aktuellen Status in der Zielerreichung herzustellen, hat viel gewonnen. Es braucht dafür aber ein entsprechendes Reporting, das Auskunft gibt über den Zielerreichungsgrad auf Ebene des Gesamtunternehmens sowie auf Ebene der einzelnen Vertriebsmitarbeitenden. Incentive-Systeme können sofern sie mit den Zielsystemen abgeglichen sind für die Zielerreichung erfolgsentscheidend sein. Mehr darüber lesen Sie hier.

Vertragskonforme Kundenverrechnung sicherstellen – Preise und Konditionen selektiv anpassen
Die Überarbeitung des Preis- und Konditionen-Systems würde den Rahmen eines Kurzfrist-Programms zur Steigerung der Vertriebseffektivität sprengen. Allerdings kann in vielen Fällen bereits über eine selektive Veränderung einzelner Preispunkte und Konditionen ein ergebniswirksamer Effekt erzielt werden. Erfahrungsgemäß ist bereits auch eine vertragskonforme Kundenverrechnung eine wirkungsvolle Kurzfrist-Maßnahme. Denn oft werden vertraglich festgelegte Konditionen gegenüber den Kunden nicht gänzlich eingefordert.

Schlussendlich bleibt zu sagen: Wer im Vertrieb voreilig die Kostenbremse zieht, reduziert möglicherweise Ressourcen, um ungenutztes Potenzial zu heben. Anstatt die vertriebliche Basis zu schmälern, können Sie mithilfe dieser Stellhebel aus den bestehenden Vertriebsressourcen mehr Wert generieren. Dies erzeugt Momentum in der Organisation und schafft eine Basis für neue Wettbewerbsvorteile. Die Effekte eines Kurzfrist-Programms sind unmittelbar ergebniswirksam und unterstützen gleichzeitig eine nachhaltige Unternehmensentwicklung. 

Wenn Sie mehr über Sales Force Effectiveness wissen möchten, können Sie hier weiterführende Informationen und hilfreiche Beispiele herunterladen. Viel Freude beim Durchklicken!

 

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