
Supply Chain Management: Der Preis unproduktiver Liegezeiten
Liefertreue und Durchlaufzeiten sind entscheidende Wettbewerbsfaktoren. Dennoch fehlt in vielen Industrieunternehmen die Transparenz über Produktionsprozesse und Lagervorgänge. Dadurch werden wertvolle Effizienzpotenziale verschenkt. Denn bis zu 95% der Materialdurchlaufzeiten sind Liege- und Wartezeiten. Was das für Lagerbildung und Kapitalbindung bedeutet, lesen Sie hier.
Eines der häufigsten Versäumnisse in der Produktionssteuerung ist: Ineffizienzen solange hinzunehmen, bis sie zum Problem werden. Oft werden Optimierungspotenziale erst dann genutzt, wenn sich die Beschwerden über lange Lieferzeiten oder überzogene Liefertermine bereits häufen. Die Durchlaufzeit ist ein zentraler Faktor, wenn es um Reliability und Kundenzufriedenheit geht. Sie gibt die Zeitspanne vom Eingang eines Auftrags bis zur Auslieferung an. Dabei unterscheidet man technische Bearbeitungszeiten von der tatsächlichen Durchlaufzeit, in die auch Liege- und Wartezeiten in den verschiedenen Produktionsstufen miteinbezogen werden. In den meisten Industrieunternehmen beträgt die tatsächliche Durchlaufzeit ein Vielfaches der technischen Bearbeitungszeit. Vor allem in mehrstufigen Produktionsprozessen können Liege- und Wartezeiten einen überwältigenden Großteil der Durchlaufzeit ausmachen. Während der Materialfluss gut funktionieren kann, entstehen an seinen Schnittstellen oft erhebliche Zeitverluste durch Intransparenz und Informationsmangel. Typische Ursachen für unproduktive Lieferzeiten sind:
Unterschiedliche Anlagen-Kapazitäten
Wenn in einem mehrstufigen Prozess die Produktionsstufen über unterschiedliche Aggregate laufen, kann es zu Engpässen kommen. Denn die Anlagen-Kapazitäten können sich je Produktionsschritt erheblich voneinander unterscheiden. Meist wird der Produktionsprozess dann auf einen durchschnittlichen Produktmix hin optimiert. Die Herausforderung entsteht, wenn sich dieser Mix verändert, weil dadurch auch die Kapazitätsbedarfe beeinflusst werden. Die daraus resultierenden Über- oder Unterbeanspruchungen können in diesen Fällen nur durch größere Pufferläger vor den Engpasaggregaten ausgeglichen werden.
Übergang von Push- zu Pull-Produktion
Wenn es in der Produktionskette zu einem Wechsel von Push- zu Pull-Logik kommt, können dadurch erhöhte Lagerbestände entstehen. Denken Sie zum Beispiel an den Spielbaustein-Hersteller Lego. Das Unternehmen führt neben dem Basis-Sortiment auch Special Editions, die von den Ideen seiner Kundinnen und Kunden inspiriert sind. Diese Sondereditionen folgen in ihrer Sortierung einer Pull-Logik, während die enthaltenen Bausteine in einer Push-Produktion hergestellt werden. Kritisch ist die Schnittstelle beim Übergang von Push zu Pull, an der es üblicherweise zu längeren Liegezeiten kommt. Auch mithilfe von Optimierungsmaßnahmen können solche Wartezeiten nicht ganz vermieden werden. Allerdings entstehen an diesen Stellen nicht selten auch unnötige Zeitverluste und übermäßige Lagerbindung.
Mangelhafte Produktionsplanung
In Fragen der Produktionsplanung ist das Bauchgefühl ein unzuverlässiger aber dennoch oft befragter Ratgeber. Das führt dazu, dass ineffiziente Prozessstrukturen manchmal jahrelang unhinterfragt fortgeführt werden. Oft sind die Produktionen in einem strikten Monats- oder Dekadenrhythmus getaktet. Es wird nur selten analytisch geprüft, ob der Durchschnittsbestand in den Pufferlägern gerechtfertigt ist. Das liegt auch daran, dass die Produktionsplanung in vielen Industriebetrieben nur unzureichend durch Tools unterstützt wird. Deshalb fehlt meist die Informationsgrundlage für die Optimierung von Durchlaufzeiten in der Produktion. Unsere Erfahrung zeigt, dass die wesentlichen Daten in den meisten Produktionsbetrieben zwar an unterschiedlichsten Schnittstellen erfasst aber nicht zusammengeführt und systematisch ausgewertet werden. Die tatsächlichen Durchlaufzeiten bleiben daher in vielen Fällen unbekannt und ein Produkt von “Guesswork”. Dabei kann eine Value Stream Analyse wertvolle Aufschlüsse über Effizienzpotenziale in der Prozessführung geben.
Eine der größten Erfolgschancen in der Produktionssteuerung ist: Ineffizienzen beheben, bevor bis sie zum Problem werden. Wer nicht erst reagiert, wenn die Service Levels erodieren oder das Working Capital explodiert, kann dadurch die unternehmerische Wettbewerbsgrundlage sichern. Denn Versäumnisse bei Produktions- und Lieferzeiten werden von Abnehmern immer seltener verziehen. Um Kundenaufträge effizient bearbeiten zu können, braucht es Transparenz über die technischen Bearbeitungszeiten und die tatsächliche Durchlaufzeit. Sie bildet die Grundlage für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Supply Chain Management und schafft Reaktionssicherheit bei Veränderungen im Produktionsmix oder in den Kundenbedürfnissen. Denn wenn alle Produktionsabläufe transparent sind, werden Effizienzpotenziale sichtbar, die sonst im Dunkeln bleiben.
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