Walter Maderner | Mai 31, 2023

CSDDD als Trigger für kollaborative Ansätze zur Optimierung der Supply Chain

Niemand schafft allein, wozu man gemeinsam imstande ist. Das bewahrheitet sich auch bei der Optimierung von Wertschöpfungsketten. Trotzdem reicht der Analysehorizont im Supply Chain Management oft nicht über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus. An den Schnittstellen zu Lieferanten bleiben die Potenziale einer kollaborativen Zusammenarbeit meist ungenutzt. Wer dagegen auch die vorgelagerten Prozesse – von der Rohstoffbeschaffung bis hin zum eigenen Produkt-Service-Angebot – in die Betrachtung nimmt, kann die Supply Chain gesamthaft optimieren und strategische Allianzen bilden. Dieser Umstand bekommt durch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) eine neue Dimension: Unternehmen werden verpflichtet ihre Lieferketten auf die Einhaltung von ökologischen und sozialen Standards zu durchleuchten und ggf. bei Nichteinhaltung Maßnahmen zu ergreifen. Das bedeutet: Die Lieferketten müssen auf den Prüfstand und im Zuge dessen können neue Potenziale der Zusammenarbeit identifiziert und gehoben werden.

 

Oft ist gerade das Offensichtliche leicht zu übersehen. In der produzierenden Industrie machen externe Güter und Dienstleistungen bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten aus – trotzdem wird die strategische Bedeutung der Beschaffung meist unterschätzt. Das führt dazu, dass die Potenziale einer Supply Chain Optimierung in vielen Industrieunternehmen nur unzureichend ausgeschöpft werden. Besonders unter den aktuellen Marktbedingungen und im Lichte der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU kann die Professionalisierung der Beschaffung und Neuausrichtung der Lieferkette durchaus wettbewerbsentscheidend sein. Das haben wir auch hier bereits festgestellt.

Differenziert einkaufen, strategisch handeln

Der Nachholbedarf besteht typischerweise in einer zu wenig strategischen Herangehensweise. Unserer Erfahrung nach werden Lieferanten oftmals undifferenziert behandelt, wodurch die Dynamiken auf den Beschaffungsmärkten unberücksichtigt bleiben. Genauso wie auf der Vertriebsseite braucht es aber auch im Supply Chain Management segmentspezifische Strategien, um maximalen Einkaufserfolg zu erzielen. Zusätzlich verpflichtet die CSDDD der EU die Unternehmen, ihre Lieferkette auf die Einhaltung ökologischer und sozialer Mindeststandards zu durchleuchten und bei Nichteinhaltung geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Damit ergibt sich für die Unternehmen die Verpflichtung und gleichzeitig die Chance, das aktuelle Beschaffungsportfolio kritisch auf den Prüfstand zu stellen.

Im Spannungsfeld zwischen der Bedeutung einer Beschaffungskategorie für das eigene Unternehmen und der Verhandlungsmacht der Lieferanten und der ökologischen und sozialen Compliance ergeben sich Segmente, für die es individuelle Strategien zu entwickeln gilt. Im kostenlosen Download finden Sie dazu eine exemplarische Veranschaulichung des Beschaffungsportfolios eines Maschinenbauers.

Das Gesamtoptimum ist nicht die Summe der Teiloptima 

Eine strategisch relevante Chance kann sich ergeben, wenn eine große Bedeutung der Beschaffungskategorie für das eigene Unternehmen auf eine hohe Verhandlungsmacht der Lieferanten trifft. Dann können kollaborative Ansätze neue Optimierungspotenziale in der Supply Chain schaffen. In der Praxis erleben wir allerdings noch oft das Gegenteil: Isolierte Einsparungsmaßnahmen, die am Gesamtoptimum vorbeiführen. Typische Gründe dafür sind:

  • Zurückhaltung bei der Weitergabe von Informationen
  • Nichtverfügbarkeit von Informationen z.B. über die vorgelagerten Wertschöpfungsstufen
  • organisatorische Widerstände
  • mangelnde Bereitschaft, operative und IT-Schnittstellen umzugestalten
  • Unverfügbarkeit der Ressourcen für ein Heben der Potenziale

Wertschöpfung als Partnerarbeit

Während das verhaltene Benehmen von Industrieunternehmen bei der Kollaboration mit Lieferanten nachvollziehbar sein mag, bleibt es am Ende doch unwirtschaftlich. Die Offenlegung von prozesstechnischen Details kann zwar verletzlich machen, jedoch steht dem in den meisten Fällen ein Optimierungspotenzial gegenüber, das die Downside Risks bei Weitem übersteigt. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass eine Kollaboration mit strategischen Partnern eine Win-win-Situation zum Ziel hat. Es ist demnach für beide Beteiligten sinnvoll, zusammenzuarbeiten. Mögliche Ansatzpunkte dabei sind:

  • Kooperation bei den CSDDD Berichtspflichten
    In der harten Lesart der Richtlinie müssen die Unternehmen Transparenz über die gesamte Lieferkette gewinnen und beurteilen, ob ökologische und soziale Standards eingehalten werden. Das führt notgedrungen zu einem engeren Informationsaustausch mit den Lieferanten und einer Chance, weitere Kontakte zu knüpfen, Vertrauen aufzubauen und ggf. auch die eigenen Wertschöpfungsprozesse besser zu koordinieren. Je mehr Transparenz durch die neuen Berichtspflichten entsteht, desto mehr Chancen ergeben sich, weitere Potenziale zu identifizieren und zu heben.
  • Transport und Handling
    Auf Transportwegen entstehen häufig Mehrkosten durch Doppelarbeiten oder nicht abgestimmte Tätigkeiten. Das kann zum Beispiel die Qualitätskontrolle betreffen: Meist sind Inspektionen nicht sowohl bei Warenausgang als auch bei Wareneingang notwendig. Durch mangelnden Informationsaustausch kommt es trotzdem in vielen Fällen zu doppelten Aufwänden. Ähnlich verhält es sich bei Losgrößen und Lieferfrequenzen – oft können durch kleine Veränderungen große Einsparungen im Handling erzielt werden.
  • Bestellprozess
    Erfahrungsgemäß ergeben sich die meisten Ineffizienzen bei Supply Chain Prozessen nicht im physischen Bereich, sondern durch Informationsprobleme. Besonders im Bestellprozess werden relevante Daten zu Lagerbeständen, Fertigungszeiten, Absatzprognosen etc. vielfach zu spät weitergegeben. Durch knappe Vorlaufzeiten entstehen so lieferantenseitig oft verhinderbare Engpässe. Um das zu vermeiden, kann die IT-Schnittstelle zu Lieferanten mithilfe von Lösungen wie EDI, Lieferanten-KANBAN oder Vendor-managed Inventory professionalisiert werden.
  • Kapazitätsnutzung
    Ein offener Austausch über Bedarfsplanung einerseits und Produktionsressourcen andererseits kann zum Beispiel zur besseren Nutzung von Leerkapazitäten bei Lieferanten beitragen. Ausgehend von industriespezifischen Zyklen können gewisse Bedarfsmengen möglicherweise in Zeiten von Überkapazitäten vorproduziert werden. Selbstverständlich muss in diesen Fällen ein Trade-off zwischen Kapitalbindung in der Lagerhaltung und Auslastungsoptimierung in der Produktion erfolgen. Nur so können Effizienzgewinne gesamthaft realisiert werden.
  • Planung
    Die Budgetplanung, die Forecasts zugrunde liegt, gehört zu den am besten gehüteten Geheimnissen in der produzierenden Industrie. Speziell als Kunde will man sich nicht früher als notwendig auf bestimmte Bedarfe festlegen. Demgegenüber stehen allerdings die Optimierungschancen einer kollaborativen Planung und gemeinsamen Entwicklungen, die über den Supply Chain Bereich hinaus wertvolle Wettbewerbsvorteile schaffen können.

In allen Fällen braucht es zur gesamthaften Optimierung der Supply Chain einen gemeinsamen Willen und ein bisschen Vertrauen. Sicher ist: Auf der Suche nach neuen Effizienz- und Entwicklungspotenzialen lohnt sich der Blick über die Grenzen des eigenen Unternehmens hinaus. Wer sich dabei nicht von möglichen Gefahren abschrecken lässt und Mut zur Transparenz beweist, kann mitunter enorme Ergebnisgewinne erzielen und strategische Allianzen schaffen. Die bevorstehenden Berichtspflichten der CSDDD könnten ein geeigneter Ansatzpunkt sein, einen neuen Anlauf zu nehmen.

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