Philip Wolfsteiner | Oktober 25, 2018

Gibt es den optimalen Lagerumschlag und wie komme ich dorthin?

Läger haben die Tendenz, sich zu füllen.

Dafür gibt es mehrere Ursachen: Die Nachfrage wird volatiler und damit schwieriger planbar. Um Fertigungskapazitäten auszulasten, müssen Rüstzeiten minimiert werden. Oft benötigen die eigenen Lieferanten höhere Vorlaufzeiten. Vor allem aber wächst bei den meisten produzierenden Unternehmen die Produktpalette, weil sich die Kundenbedürfnisse immer stärker ausdifferenzieren und man sich als Anbieter über maßgeschneiderte Lösungen zu unterscheiden versucht.

Damit steigen nahezu zwangsläufig auch die Lagerstände. Einerseits müssen für jeden neuen Artikel Sicherheitsbestände vorgehalten werden. Andererseits variiert die Nachfrage je Artikel in der Regel stärker, wenn mehr Produkte angeboten werden. Bei wachsenden Fertigwarenlägern ist mehr Kapital gebunden. Die Lagerkosten steigen. Logistikprozesse laufen nicht mehr optimal und die Lagerkapazitäten müssen aufgestockt werden. Zugleich steigt das Risiko, Ladenhüter zu produzieren. Abschreibungen auf „dead stock“ belasten das Ergebnis.

Unterm Strich steigen Kosten und Investitionen in Läger und Logistik und damit der Finanzierungsbedarf Ihres Unternehmens. Wenn mehr Working Capital gebunden ist, können Sie Ihr Wachstumspotential nicht voll ausschöpfen.

Welcher Lagerumschlag ist optimal?

Eine wesentliche Kennzahl, um die Performance des Lagermanagements zu messen, ist der Lagerumschlag. Das ist die Zeitspanne, in der sich ein Lager einmal komplett dreht. Doch ist ein Lagerumschlag von 40 Tagen nun gut oder schlecht? Die unbefriedigende Antwort: Es kommt ganz darauf an.

Selten ist die Frage nach dem betriebswirtschaftlichen Optimum schwieriger zu beantworten als im Bereich des Lagermanagements. Beantworten lässt sich diese Frage nur auf der Ebene des einzelnen Lagerartikels – wir reden auch von der „stock keeping unit“, kurz SKU.

Dabei spielen zahlreiche Faktoren mit:

  • Wie lange und volatil ist die Wiederbeschaffungszeit für diese SKU?
  • Wie flexibel und kurzfristig können Lieferanten und die eigene Fertigung reagieren?
  • Welche ist die optimale Losgröße für die Beschaffung bzw. für die eigene Fertigung unter Betrachtung der Transport- und Handlingkosten wie auch der Rüstkosten und -zeiten?
  • Mit welcher Genauigkeit ist die Nachfrage nach der SKU in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten vorhersehbar?
  • Welche Lieferzeiten akzeptieren die Kunden, und welche bieten die Wettbewerber?
  • Welcher Service Level soll den Kunden geboten werden?
  • Welche konjunkturellen oder technologischen Entwicklungen oder Einflüsse von Zinsen, Rohstoff- und Vorproduktpreisen gibt es bei dieser SKU?
  • Wie entwickelt sich das Angebot der Wettbewerber?

Ein Patentrezept für das Lagermanagement gibt es also schlicht und ergreifend nicht. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Unternehmen oft gar nicht wissen, über wie viel überschüssige Lagerstände sie verfügen.

Lagerstände zu planen, zu überwachen und laufend zu optimieren, kann weder die Logistik, noch die Fertigung, noch der Vertrieb oder der Einkauf alleine leisten. Eine funktionsübergreifende Zusammenarbeit ist essentiell. Die wichtigsten Überlegungen, wie Sie Ihr Fertigwarenlager in den Griff bekommen, haben wir hier als Zehn-Punkte-Programm zusammengefasst.

Welche Möglichkeiten zur Optimierung bestehen?

In unserem Guide “10 Ansatzpunkte für ein schlankes Fertigwarenlager” zeigen wir Ihnen, wie Sie Ihr Fertigwarenlager in den Griff bekommen.

Die wesentlichen Ansatzpunkte – auf die wir im erwähnten Guide im Detail eingehen – sehen wir aus unserer Projekterfahrung in folgenden Bereichen:

  1. Schaffen Sie Transparenz – aber vermeiden Sie die typischen Fehler
  2. Verbessern Sie Ihre Absatzplanung – lesen Sie dazu auch unseren Beitrag zum Thema Forecasting 
  3. Optimieren Sie die Wiederbeschaffungszeiten – sowohl im Unternehmen als auch darüber hinaus
  4. Hinterfragen Sie Ihre Service Levels – am Besten anhand Ihrer Service Level Strategie 
  5. Überdenken Sie Sicherheitsbestände und definieren Sie Ziel-Lagerreichweiten – keine einfache Aufgabe, aber lohnenswert
  6. Eliminieren Sie Ladenhüter – klingt simpel, wird aber nicht konsequent gemacht
  7. Hinterfragen Sie Ihre Lagerstandorte und Konsignationsläger – werfen Sie historischen Ballast ab
  8. Definieren Sie Verantwortlichkeiten für Ihre Lagerbestände – hier braucht es starke Entscheider
  9. Setzen Sie Steuerungssysteme auf und sorgen Sie für Konsistenz – eine ungetrübte Sicht erleichtert das Setzen des richtigen Kurses
  10. Prüfen und justieren Sie dynamisch nach – Lagermanagement ist (leider) keine Einmal-Übung

Um Ihr Lager auch in Wachstumsphasen im Griff zu behalten, sind Sie als Führungskraft gefragt! Lagerstände zu überwachen und laufend zu optimieren ist eine Managementaufgabe unter Einbeziehung des Einkaufs, der Fertigung(-splanung), des Vertriebs und der Logistik. Dafür brauchen Sie Klarheit über Kosten und Verantwortlichkeiten, funktionierende Informationsflüsse und Anreize, die nicht gegeneinander wirken.

Losgrößen der Produktion, Lagerstandorte und Service Levels müssen immer wieder hinterfragt werden, ob sie noch marktgemäß sind. So haben Sie Ihre Läger auch dann im Griff, wenn Ihr Unternehmen wächst.

Was Sie bei den 10 genannten Ansatzpunkten im Detail beachten müssen, lesen Sie in unserem Guide.

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