Geschäftsmodellinnovation in der Praxis: Differenzierung durch Service
Als reiner Produktanbieter ist man selten allein am Markt. Denn um gefragte Features herrscht meist reger Wettbewerb. Gerade im Industriebereich sind Produkteigenschaften als Alleinstellungsmerkmale deshalb oft nicht nachhaltig. Das stellte auch einer unserer Klienten im Infrastrukturmanagement fest, als er mit dieser Projektanfrage auf uns zukam: Um die eigene Wettbewerbsposition abzusichern, sollte das Servicegeschäft rund um das bestehende Produktangebot professionalisiert und ausgebaut werden. Dafür erarbeiteten wir gemeinsam eine Potenzialanalyse und entwickelten darauf basierend ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept.
Wer im eigenen Markt gut etabliert ist, hat meistens ein intuitives Gefühl für die Verschiebungen von Bedarfs- und Potenzialfeldern. Häufig sind diese Ahnungen allerdings zu vage und unsicher, um ihnen konkrete Maßnahmen folgen zu lassen. So werden wesentliche Marktentwicklungen oft sehenden Auges verschlafen. Um das zu verhindern, entschied sich ein führendes Unternehmen im Infrastrukturmanagement, mit uns sein Geschäftsmodell zu reevaluieren und weiterzuentwickeln. Der Hersteller von Systemkomponenten hatte zum Zeitpunkt des Projektstarts eine zunehmende Verschärfung des Wettbewerbs auf Produktbasis festgestellt und erkannt: Um der Commodity-Falle zu entkommen, braucht es neue Differenzierungshebel. Gleichzeitig vermutete unser Kunde Wachstumspotenziale im Dienstleistungsgeschäft, die er mithilfe vereinzelter Services bereits versuchte zu erschließen.
Faktenabgleich
Was mit einer Vermutung beginnt und ein potenzialgerechtes Angebot zum Ergebnis haben soll, braucht zunächst eine zuverlässige Datengrundlage. Deshalb erstellten wir im ersten Schritt des Projekts eine Customer Lifecycle Analyse. Sie beantwortet folgende Fragen:
- Welche Servicebedarfe gibt es entlang des Produktlebenszyklus?
- Wie werden diese Bedarfe heute gedeckt?
- Welchen Mehrwert könnte das eigene Unternehmen dabei liefern?
- Wie wichtig ist der einzelne Service bezogen auf den gesamten Lebenszyklus des Produkts?
- Wie kostenintensiv ist die Eigenerbringung dieses Services im Vergleich zum Zukauf von externen Anbietern?
Aus der Customer Lifecycle Analyse leiteten wir zunächst konkrete Geschäftspotenziale in den einzelnen Servicebereichen ab. Im Fall unseres Klienten handelte es sich dabei vorwiegend um Dienstleistungen wie Planung, Installation, Inbetriebnahme, Wartung, Entstörung, Rückbau und Verwertung von Altanlagen. Danach erfolgte eine Priorisierung der Servicebereiche anhand ihrer Bedeutung und ihres Impacts auf die Total Cost of Ownership. Die Grundlage dafür lieferten Kunden-Fragebögen, aus denen schlussendlich auch wertvolle Argumentationshilfen für den Vertrieb gewonnen werden konnten.
5 Geschäftsmodelle
Unsere Kundenanalyse ergab unterschiedliche Bedarfsniveaus und Kompetenzlevels in der Erbringung der entsprechenden Dienstleistungen. Darum identifizierten wir basierend darauf die folgenden 5 Geschäftsmodelle, die sich in ihrer Serviceintensität unterscheiden. Eine detaillierte Übersicht dieser Modelle stellen wir Ihnen im kostenlosen Download bereit.
- Produktverkauf
Das erste Geschäftsmodell entspricht dem bisherigen: Dabei beschafft der Kunde ausschließlich das Produkt und erbringt die erforderlichen Services wie bspw. Instandhaltung in Eigenleistung. Das setzt selbstverständlich voraus, dass der Kunde über das entsprechende Know-how und die notwendigen Ressourcen verfügt. - Produkt und Erstservice
In dieser Ausbaustufe beschafft der Kunde zusätzlich zum Produkt ausgewählte Services rund um Installation und Inbetriebnahme. Obwohl davon auszugehen ist, dass er diese kapazitativ auch selbst leisten könnte, schätzt er den Nutzen im Erstservice durch Produkt-Spezialist:innen. Beim Autokauf würde dieses Geschäftsmodell zum Beispiel einem Zukauf eines Erstservices nach einer bestimmten Anzahl gefahrener Kilometer entsprechen. - (Produkt und) Second Service
Zusätzlich zum Produkt oder unabhängig davon nimmt der Kunde verschiedene Services zur Installation und Inbetriebnahme, im laufenden Betrieb oder zum Rückbau in Anspruch. Die Kunden dieser Zielgruppe haben oft eine unterkritische Größe und fehlende Ressourcen zur Eigenerbringung. In Analogie zum Autokauf werden in diesem Sinne Leistungen wie Wartung, Pickerl-Überprüfung und etwaige Reparaturen angeboten. - System Performance Management
Bei System Performance Management handelt es sich um ein gesamthaftes Produkt-Service-Angebot inklusive Performance-Garantien für bestimmte Komponenten. Als Autokäufer:in würde man in diesem Fall einen Servicevertrag zu einer Flatrate abschließen. Dadurch wären alle notwendigen Leistungen gedeckt – unabhängig davon, in welchem Maß sie tatsächlich anfallen. - Asset Management
Wer das gesamte Asset Management outsourced, kann sich damit einen bestimmten Verfügbarkeitsgrad sichern (z. B. 98 % in den nächsten 5 Jahren). Im Automobilbereich wäre das vergleichbar mit einem Flottenmanagement-Vertrag. Dabei stellt der Anbieter die vereinbarte Anzahl an Fahrzeugen bereit und übernimmt Kosten- und Ausfallrisiken.
Kundennutzen identifizieren
Wesentlich ist dabei eines nicht aus den Augen zu verlieren: Den Kundennutzen. Geschäftsmodellinnovation erfüllt nämlich keinen Selbstzweck – wieso das so ist, können Sie hier nachlesen. Das Ergebnispotenzial neuer Angebote hängt davon ab, inwiefern sie Mehrwert für die Kunden schaffen können, an die sie sich richten. Für unseren Klienten haben wir den Kundennutzen deshalb anhand der folgenden 3 Parameter identifiziert und für jedes Geschäftsmodell bewertet. Im kostenlosen Download finden Sie dazu eine schematische Darstellung.
- Total Cost of Ownership
Mit der Anzahl zugekaufter Services sinken tendenziell die anfallenden Lebenszyklus-Kosten, die vom Kunden für den Betrieb des Systems in Kauf genommen werden müssen.
- System Performance
Je mehr Leistungen vom Kunden in Anspruch genommen werden, desto höher ist die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems.
- Risiko
Das kundenseitige Risiko kann mit zunehmender Serviceintensität fast vollständig abgegeben werden.
Auch dieser Praxisfall hat gezeigt: Wer den Produktvertrieb mit Serviceangeboten ergänzt, die Kundennutzen stiften, kann Marktnischen schaffen. Denn sofern bei der Erbringung dieser Leistungen originäres Wissen zum Einsatz kommt, sind sie vom Wettbewerb schwer zu imitieren. Auf diese Weise können nachhaltige Differenzierungs- und Alleinstellungsvorteile gewonnen werden. Damit hat Geschäftsmodellinnovation das Potenzial, die unternehmerische Erfolgsgrundlage zu stärken und die Zukunftsfähigkeit abzusichern. Warum es dabei auf ein proaktives Hinterfragen der eigenen Ausrichtung ankommt, lesen Sie hier.
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