GCI | Juli 30, 2020

Ergebnisverbesserung: Kleine Veränderungen mit großer Wirkung

Warum gelingt es so selten, Kosten effizient und nachhaltig zu senken? An Einsparungspotenzialen mangelt es jedenfalls nicht. Laut Walter Maderner und Philip Wolfsteiner ist der Fehler genauso simpel wie gravierend: Vielen Mitarbeiter:innen sind die Kostentreiber in ihren Arbeitsbereichen ganz einfach nicht bewusst. In Produktionsbetrieben können beispielsweise schon kleine Veränderungen beim Materialverbrauch große Wirkung zeigen. Allerdings ist nur wenigen Mitarbeiter:innen klar, welche Hebel sie in der Hand haben und wie groß die Wirkkraft dieser Hebel ist. Die Folge: Die Kostenlast wird als gegeben hingenommen und zu selten hinterfragt. Für einen dauerhaften Wandel hin zu mehr Kosteneffizienz braucht es ein gesteigertes Bewusstsein dafür, wie groß der eigene Beitrag zum Unternehmensziel sein kann.


Woran liegt es, dass herkömmliche Einsparungsprogramme selten langfristige Effekte im Sinne eines erhöhten Kostenbewusstseins haben?

Philip Wolfsteiner: Das liegt zu einem großen Teil daran, dass diese Programme sehr kurzfristig konzipiert sind und auf eine schnelle Reduktion der Kosten abzielen. Nachdem sich die ersten Erfolge einstellen und das Kostenvolumen reduziert wurde, verfolgen viele Unternehmen das Thema nicht weiter. Man ruht sich auf den Lorbeeren aus, statt den Kostenfokus nachhaltig in den Reporting- und Meetingstrukturen sowie in der Unternehmenskultur zu verankern. Es ist also ein Geburtsfehler von solchen Programmen, dass sie gar nicht erst darauf ausgerichtet werden, nachhaltig etwas im Unternehmen zu verändern.

Walter Maderner: Das kann ich nur unterstreichen. Das ist sicherlich eines der großen Defizite. Die Management Attention ist am Anfang sehr groß – aber in dem Moment, in dem der akute Schmerz beseitigt ist, verschwindet auch der Fokus. Ein anderer häufiger Fehler ist, dass Budgets nach dem Rasenmäher-Prinzip gekürzt werden – vor allem Sachkosten. Man überlegt sich zu wenig, was die Kosten eigentlich treibt. Dabei sollte man beim Bedarf ansetzen und die Kostenpositionen im Sinne eines Zero-Based-Budgetings einmal grundsätzlich hinterfragen. Oft sammeln sich ja auf diversen Kostenstellen Artefakte aus vergangenen Zeiten an, die irgendwann ins Leben gerufen wurden und dann im jährlichen Budget einfach fortgeschrieben werden. Es gilt also, sich gründlich zu überlegen, wie die Kostenstruktur aufgebaut ist, welche Treiber es gibt und das mit dem Leistungsumfang abzugleichen, der tatsächlich gebraucht wird.


Wenn wir über Kostenbewusstsein sprechen, setzt das per Definition das Wissen um die Kosten im eigenen Bereich voraus. Und genau daran scheitert es in vielen Fällen schon – besonders in großen Organisationen wird die Kostenlast in der eigenen Abteilung oft als gegeben hingenommen. Die einzelnen Positionen werden zu wenig hinterfragt. Wie schafft man es hier, ein Verantwortungsgefühl in den Menschen zu wecken?

Walter Maderner: Das ist eine typische Situation in großen Unternehmen. Kostenstellenverantwortliche sind dort üblicherweise mit sehr unterschiedlichen Kostenpositionen konfrontiert. Das eine sind Umlagen und Positionen, die nur wenig oder indirekt beeinflussbar sind. Dem gegenüber stehen aber Positionen, die durchaus direkt beeinflussbar sind (wie z.B. Reisekosten). Man muss also genau unterscheiden. Im Hinblick auf die Positionen, die beeinflussbar sind, muss eruiert werden, ob der derzeitige Bedarf für die Zielerreichung wirklich angemessen ist. Bei den weniger direkt beeinflussbaren Positionen wie beispielsweise IT-Umlagen kann man ansetzen, indem man sich überlegt, welche Leistungsumfänge von anderen Abteilungen bezogen werden. Das ist oft nicht codifiziert. Wenn man beispielsweise eine Funktionskostenanalyse für den Overhead macht, muss man sich überlegen, welche Abteilung für welche anderen Abteilungen Leistungen erbringt und ob diese in dem Umfang gebraucht werden, in dem sie angeboten werden. Zusammengefasst können also beide Kostenarten – die direkt und die indirekt beeinflussbaren – über eine Kostenkritik gut in den Griff bekommen werden.

Philip Wolfsteiner: Eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Kostenverantwortung angenommen wird, ist auch, dass man den/die Einzelne/n verantwortlich macht. Oft wird im Rahmen der Budgetierung ein Kostenstellenbudget definiert, das – wie schon gesagt – eine Fortschreibung aus der Vergangenheit ist und Kostenstellenverantwortliche werden vor mehr oder weniger vollendete Tatsachen gestellt. Sie sind in den Prozess der Budgetierung oft nur peripher involviert – damit ist die Identifikation mit den Kosten im Budget klarerweise eine enden wollende. Dazu kommt, dass in vielen Unternehmen nicht nachgehalten wird, was tatsächlich Monat für Monat auf einzelnen Kostenstellen ausgegeben wird. Es setzt sich außerhalb des Controllings niemand mehr damit auseinander. Am Ende haben die Kostenstellenverantwortlichen weder das Budget noch die tatsächlichen Ausgaben zu verantworten – dass die Identifikation mit den Kosten gering ist, ist unter solchen Umständen nicht überraschend. Sobald man aber Verantwortung überträgt und dem/der Einzelnen klar wird, dass die eigene Leistung in Zukunft auch daran gemessen wird, wie gut die Kostenstellenbudgets eingehalten werden, wird auch das Interesse daran geweckt, was hinter den Kostenpositionen steckt. Die Mitarbeiter:innen beginnen, sich intensiver mit ihren Kosten auseinanderzusetzen. Kostenstellenverantwortliche gehen von sich aus auf das Controlling zu und fordern Informationen darüber ein, wie sich die Kosten auf der eigenen Kostenstelle zusammensetzen. Sie beginnen zu verstehen, welche Positionen beeinflussbar sind und welche nicht und wehren sich gegen Fehlallokationen, die natürlich auch immer wieder passieren können. Diesen Bewusstseinswandel muss man initiieren. Ansonsten wird sich der/die Einzelne nie mit seinen/ihren Kosten auseinandersetzen und identifizieren.


Diese gefühlte Machtlosigkeit zeigt sich nicht nur kostenseitig, sondern auch was die Wirkkraft der eigenen Leistung betrifft. Denken Sie, dass sich Manager:innen dem  Einfluss Ihrer Entscheidungen auf das Gesamtergebnis tendenziell zu wenig bewusst sind?

Philip Wolfsteiner: Ja, wir haben oft den Eindruck, dass die Ergebnismechanik im Unternehmen viel zu wenig bekannt ist. Den Mitarbeiter:innen ist oft nicht klar, welche Hebel sie in der Hand haben und wie groß die Wirkmächtigkeit dieser Hebel ist. Wir haben immer wieder die Situation, dass der Vertrieb erstaunt ist, wie groß der Einfluss seiner Preisdurchsetzung auf das Unternehmensergebnis ist, obwohl das eigentlich eine banale Rechnung ist. Aber dieses Bewusstsein ist oftmals nicht vorhanden, weil man mit dem eigenen Denken zu sehr im Tagesgeschäft verhaftet ist, um Abstand zu nehmen und zu überlegen, wie denn die einzelnen Zahnräder im Unternehmen zusammenwirken.

Walter Maderner: Eines der fundamentalen Probleme ist, dass viele Manager:innen die Finanzen der Firma gar nicht kennen. Oft werden solche Informationen geheim gehalten. Es ist in vielen Firmen auch Company Policy, dass nicht alle Manager:innen Zugang zu den Ergebnisdaten haben, weil sie für sensitiv gehalten werden. Das Controlling und der Finanzbereich haben den Überblick aber sie kennen wiederum die operativen Hebel zu wenig, um das Wissen zu vernetzen. Insgesamt ist es ein zweischneidiges Schwert, weil sensible Finanzinformationen, die man zu weit im Unternehmen streut, auch nach außen dringen und das natürlich nicht gewollt ist, weil diese auch für den Wettbewerb nicht uninteressant sind.


Liegt dieser fehlende Blick für das große Ganze nicht auch an zu kleinteiligen, isolierten Aufgabenbereichen bzw. zu wenig Handlungsautonomie?

Philip Wolfsteiner: Ich glaube, es liegt gar nicht so sehr an der Kleinteiligkeit der Aufgaben, sondern daran, dass das große Ganze oftmals aus dem Blickfeld rutscht. Es spricht nichts gegen Arbeitsteiligkeit und Spezialisierung aber man muss der Gesamtheit des Unternehmens auch immer wieder das Bild des großen Ganzen vor Augen führen. Es gilt aufzuzeigen, wie die Dinge zusammenhängen und wie jede/r Einzelne im eigenen Verantwortungsbereich zu diesem großen Ganzen beiträgt. Es muss aufgezeigt werden, wie das Uhrwerk eines Unternehmens zusammenspielt.

Walter Maderner: An der Arbeitsteiligkeit führt kein Weg vorbei. Je größer und spezialisierter das Unternehmen, desto höher ist auch die Arbeitsteiligkeit – und das macht durchaus Sinn. Aber das ist unabhängig davon, dass man den Blick fürs große Ganze braucht. Jede einzelne Managementfunktion sollte aufgefordert sein, diesen Blick für sich zu entwickeln und sich die eigene Rolle im größeren Kontext bewusst machen. Der Beitrag einer einzelnen Funktion mag ganz klein erscheinen, ist aber notwendig, weil in großen Unternehmen erst durch das Zusammenwirken sehr vieler kleinteiliger Aufgabenbereiche die Durchsetzung der Zielsetzungen möglich wird.


Hätte es nicht auch einen positiven Effekt auf die Arbeitszufriedenheit, wenn die Menschen im Unternehmen das Wirken ihrer Leistung klarer sehen würden?

Philip Wolfsteiner: Definitiv. Alle wollen sinnstiftende Aufgaben haben und das Unternehmen profitabel weiterentwickeln. Aufzuzeigen, was der jeweilige Beitrag zu diesem übergeordneten Unternehmensziel ist, fördert die Motivation. Wirkungszusammenhänge sichtbar zu machen ist eine wesentliche Führungsaufgabe.

Walter Maderner: Meine Erfahrung ist, dass Leute, die die Zusammenhänge verstehen und sehen, welchen Beitrag sie leisten, mit einer ganz anderen Motivation an ihre Arbeit herangehen und auch bessere Entscheidungen treffen. Denn in dem Moment, in dem man versteht, in welche Richtung die eigenen Entscheidungen die Zielsetzungen des Unternehmens beeinflussen und unterstützen, weiß man auch, was gute und schlechte Entscheidungen sind. Es ist also nicht nur eine Frage der Arbeitszufriedenheit, sondern auch eine der Managementqualität. Es geht um die Kohärenz aller Funktionen, die zusammenwirken. Als Physiker denke ich in Feldlinien. Wenn ein Feld durch den Ferromagneten geht und plötzlich Magnetisierung entsteht, dann zeigen alle Elementarmagneten in die gleiche Richtung. Wenn die Leute wissen, was sie zu tun haben und was sie zur Zielerreichung beitragen, dann ist das Unternehmen viel wirksamer.

Danke für das Interview!

Weitere Artikel zum Thema

Philip Wolfsteiner | August 13, 2020

Ergebnisverbesserung: 3 Ansatzpunkte für einen erfolgreichen Kulturwandel

Damit das Ergebnisverbesserungsprogramm keine Einmal-Übung bleibt, sondern als gesteigertes Kostenbewusstsein in die DNA des Unternehmens übergeht, braucht es eine konsequente Transformation. Das haben wir in unserem letzten Artikel bereits festgestellt. Wo man dabei ansetzen kann, lesen Sie in diesem Beitrag. Anhand von drei Schlüsselinterventionen zeigen wir, wie eine neue Kulturprägung entsteht. Mithilfe von Incentivierung, Tracking […]

Weiterlesen >
Philip Wolfsteiner | Juli 7, 2020

Ergebnisverbesserung in der Praxis: Handeln, bevor es brennt

Es ist eine Situation, mit der viele Führungskräfte irgendwann konfrontiert sind: Das Unternehmen steht zwar ganz solide da, bleibt aber hinter den Ergebniserwartungen des Managements oder der Eigentümer:innen zurück. Es ist keine akute Krisensituation, aber auch kein strahlender Erfolgsmoment. Meist hat sich über Monate hinweg der Verdacht erhärtet, dass das Ergebnispotenzial nicht voll ausgeschöpft wird. […]

Weiterlesen >
Andreas Frischherz | Juni 10, 2020

Wettbewerbsfähigkeit sichern mithilfe eines Ergebnisverbesserungsprogramms

Die Rahmenbedingungen unter denen Unternehmen heute wirtschaften verändern sich zunehmend: Der Wettbewerb verschärft sich, der Preisdruck wächst und die Faktorkosten steigen. Dazu kommt die Coronakrise und ihre gravierenden wirtschaftlichen Folgen in vielen Industriebereichen. Als Konsequenz davon kämpfen viele Unternehmen mit einem stetigen Margenverlust. Wer da nicht rechtzeitig gegensteuert, läuft blindlings in die Preis-Kosten-Schere. Das proaktive […]

Weiterlesen >