GCI | Oktober 3, 2019

Digitalisierung: Hype oder Revolution?

Die Digitalisierung treibt mit Begriffen wie „Industrie 4.0“, „Big Data“ und „Digital Transformation“ immer neue Blüten. Die Schlagwörter sind präsent in sämtlichen Medien, in der Politik sowie in praktisch jeder Strategiepräsentation von Führungskräften. Aber was genau versteht man darunter? Und hält die Digitalisierung, was sie verspricht? Ein kritischer Augenschein.

Digitalisierung ist überall. In der Wäscherei, wo Sie kontaktlos bezahlen und eine Push-Notification bekommen, wenn der Schleudergang beendet ist. Oder beim Arzt, wo Sie Ihre Termine jetzt online vereinbaren. Das alles läuft unter dem Schlagwort Digitalisierung und seinen Ablegern. Und wie es sich mit Buzzwords nun mal so verhält, werfen zwar alle wild damit um sich, aber niemand weiß genau, was sie eigentlich bedeuten. Wir räumen auf.

Reden wir vom selben?

Im Kern beschreibt Digitalisierung die Codierung von Information in Nullen und Einsen. Diese Codierung erlaubt es, Information elektronisch zu verarbeiten. Dabei geht es im Speziellen darum, Informationen suchen, filtern und replizieren zu können. Wenn man sich überlegt, wo Daten früher gespeichert waren – in Büchern, auf Schallplatten, auf Bildern – erkennt man, dass das Generieren und Verteilen von Informationen damals ungleich schwieriger war. Erst die Digitalisierung machte es möglich, Information zu geringen Kosten und in kurzer Zeit zu verarbeiten und zu verbreiten. Das kann in der Unternehmenssteuerung ungeahnte Perspektiven eröffnen. Zusammengefasst geht es bei der Digitalisierung also um das Nutzen von neuen Technologien in der Informationsgenerierung und -verarbeitung.

Der Traum von der Industrie 4.0

Die Vision hinter Industrie 4.0 ist, in der Produktion bzw. in der Wertschöpfungskette die einzelnen Aktivitäten informativ zu vernetzen. Die Vorstufe davon ist die Industrie 3.0, bei der es vorwiegend um die Automatisierung der Produktion geht. Die Industrie 4.0 setzt sich hingegen zum Ziel, die Produktionslinien miteinander zu verketten und intelligente Informationsverarbeitungstechnologien dazu zu verwenden, betriebliche Prozesse zu optimieren und weiter zu verfeinern. Das ist bis heute nur in den seltensten Fällen passiert. Es gibt zweifelsohne noch viel Potential, um eine durchgängige Steuerung der Supply Chain zu ermöglichen.

Der Morgen nach dem Hype

Nun gibt es soziale und technische Weiterentwicklung in der Produktion schon seit jeher – man denke an die Fließbandfertigung von Ford oder das Lean Manufacturing von Toyota. Was die Industrie 4.0 im Gegensatz dazu so neu und anders macht, ist, dass sie von einer Werbewelle getragen wird. Der Begriff ist stark aufgeladen mit Erwartungen und Hoffnungen von Seiten der Industrie. Ob und inwiefern sich diese erfüllen werden, kann noch niemand wirklich prognostizieren. In einigen Teilbereichen gibt es auch schon eine gewisse Ernüchterung, weil man sich vieles schneller erwartet hätte als es tatsächlich kommt. Was diese Entwicklung also auszeichnet, ist der hohe Erwartungsdruck, der damit verbunden ist. Von praktisch jedem Unternehmen wird heute gefordert, Initiativen in diese Richtung zu fördern, Digitalisierungs-Projekte an die Stakeholder zu präsentieren, zu zeigen, dass man auch in der Industrie 4.0 mitspielt und die Zukunft nicht verschläft. Gleichzeitig weiß niemand so genau, was damit eigentlich gemeint ist. Das macht das Thema Digitalisierung aus unserer Sicht so schwer zu greifen bzw. so einfach, vieles darunter zu verstehen, was eigentlich nicht Teil davon ist.

Fakt ist, dass Digitalisierung und Industrie 4.0 Unternehmen unter enormen Innovations- und Veränderungsdruck setzen. Was diesen Wandel zusätzlich antreibt, ist vorwiegend die Erwartungshaltung von Seiten der Börse, von Anlegern und Aktionärinnen. Was die digitale Transformation von anderen revolutionären Entwicklungen in der Industrie unterscheidet, ist die Aufmerksamkeit, die ihr im Bereich Marketing zukommt. Auch durch den rasanten Fortschritt im Bereich Consumer Electronics sieht sich die Industrie unter Zugzwang. Dennoch empfiehlt es sich, nicht blindlings auf den digitalen Zug aufzuspringen, sondern genau zu prüfen, welche Potentiale durch digitale Technologien in Ihrem Geschäftsmodell zu erschließen sind. Denn nicht in jedem Fall hält der Traum und die Vorstellung von Industrie 4.0, was er verspricht.

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