Walter Maderner | August 14, 2018

Die Biologie des Performance Improvement Programmes: In sieben Evolutionsschritten zur smarten Ergebnisverbesserung

Atacama-Wüste, Südamerika. Brütende Mittagshitze, es hat seit 7 Jahren nicht mehr geregnet. Die saftig grünen Blätter einer Sukkulenten-Pflanze strotzen geradezu vor Leben. Ihre kleinen, dickfleischigen Blätter dienen als Wasserspeicher und sind eng gedrungen – das verringert die Oberfläche und damit übermäßige Transpiration. Extreme Dürre, 45°C Grad Unterschied zwischen Tag- und Nachttemperatur und radikale saisonale Klimaschwankungen verlangen dem Organismus ein Höchstmaß an Anpassungsfähigkeit ab. Bei kaum einer Pflanze wird das sichtbarer als bei der Sukkulente: Sie verändert ihre physiologische Struktur über die Gezeiten hinweg. Ihre Blätter verdicken sich bei Regen, um ein Maximum an Wasser speichern zu können. Mit fortschreitendem Verzehr der Vorräte verschlankt die Pflanze sukzessive, bis ihre dünne, dornige Gestalt am Ende kaum wiederzuerkennen ist.

Effizienz maximieren, Ressourcenverbrauch optimieren, Struktur flexibilisieren – ein nach dem Ökonomieprinzip optimierter Organismus. Oder auch: “Survival of the fittest” nach Darwin. Die Natur war schon immer ein flexibles System. In Zeiten von Globalisierung, schwindender Kundenloyalität und permanent steigender Faktorkosten ist der Kampf um das Halten und Verbessern des Ergebnisses zu einem Dauerthema für Unternehmen geworden. Zudem nimmt die Veränderungsgeschwindigkeit stetig zu. Wer stehen bleibt, fällt schnell der natürlichen Selektion zum Opfer. 

Konfuzius sagte: „Wer ständig glücklich sein möchte, muss sich oft verändern.“ Wir sagen: „Wer nachhaltig profitabel wirtschaften möchte, muss seine Strukturen und Kosten kontinuierlich anpassen.“ Kaum eine Industrie ist von dieser Herausforderung ausgenommen. Neben den aktuellen strategischen und taktischen Herausforderungen des Absatz- und Beschaffungsmarktes diktiert die gnadenlose Dynamik der Preis-/Kostenschere das Handeln von Führungskräften. Bewegt sich die Preis-/Kostenschere im niedrigen einstelligen Bereich, lassen sich die negativen Effekte meist im Tagesgeschäft im Rahmen isolierter Maßnahmen auffangen. Geht die Kostenschere weiter auf, etwa durch eine verfehlte Strategie oder externe Schocks auf der Markt- oder der Beschaffungsseite, dann lässt sich die Lücke durch kontinuierliche und isolierte Verbesserungsmaßnahmen nicht mehr schließen. In der Folge erodiert das Ergebnis und ein einstmals profitables Unternehmen kann leicht in eine veritable Ergebniskrise schlittern. Ergebnisverbesserung als gesamthaftes Programm zu begreifen ist hier der richtige Ansatz. Vielfach wird in der Umsetzung aber viel zu kurz gegriffen. 

Doch wie gestaltet man die Anpassungsfähigkeit der eigenen Kostenstruktur angesichts der lauernden Herausforderungen? Wie setzt man ein Performance Improvement Program wirksam auf? Es folgt eine Schritt-für-Schritt Anleitung zum erfolgreichen Evolutionssprung.

1. Einsicht ist der erste Schritt zur Ergebnisverbesserung

Meist keimt die Erkenntnis auf Eigentümerseite zuallererst auf, nachdem oftmals über Jahre hinweg immer schwächere Ergebnisse trotz anderslautender Budgets eingefahren wurden, oder wenn sich herausstellt, dass vergleichbare Wettbewerber viel profitabler als das eigene Unternehmen wirtschaften. Das Management bemüht dann oft die Schallplatte der schwierigen Kunden, der harten und unfairen Wettbewerber und des aufwändigen und teuren Service Levels, den man unbedingt aufrechterhalten muss, um nicht noch mehr Ergebnis zu verlieren. In dieser Situation ist dann der Punkt gekommen, wo klar ist, dass mit einem Budget als Steuerungsgröße allein kein Staat zu machen ist. Willkommen in der Ergebniskrise!

2. Raus aus der Komfortzone und groß denken

Nur ein ambitioniertes Anspruchsniveau des Ergebnisverbesserungsprogrammes schafft ausreichend Druck für Veränderung. Dabei sollte die Zielsetzung groß genug sein, um das maximale Einsparungspotenzial auszuschöpfen aber realistisch genug, um schaffbar zu sein. Sind die EBIT und ROCE Ziele einmal festgesetzt, gilt es den Umfang des Programms zu ermitteln. Ausgangspunkt der Betrachtung ist das aktuelle Ist-Ergebnis der letzten Berichtsperiode. Der Vergleich mit dem Target-EBIT legt dann die Ergebnislücke fest. Unserer Erfahrung nach sollte das Anspruchsniveau das Doppelte der Ergebnislücke betragen. Damit dient die Differenz von Anspruchsniveau und Ergebnislücke als Puffer, um mögliche Abschmelzung von Potenzialen, Verzögerungen in der Potenzial Realisierung und Marktrisiken abzufedern.

3. Lasten intelligent auf die Bereiche verteilen

Wer den Überlebenskampf gewinnen will, wählt seine Schlachten bedacht und strategisch. Grundsatzregel des PiP Programms ist, dass jeder Bereich einen Beitrag zu leisten hat. Entscheidend ist herauszufinden wieviel realistisch möglich ist. Um die Ziele intelligent auf die Bereiche und Einheiten herunterzubrechen, gibt es eine Vielfalt an Methoden, von denen unserer Erfahrung nach vor allem 2 empfehlenswert sind:

  • Differenzierte “Rasenmäher” Methode
    Ausgehend von der gesamten beeinflussbaren Kostenbasis wird das Einsparungspotenzial top-down und in differenzierter Art und Weise festgesetzt.
  • Analysen basierte Potenzialabschätzung
    Mithilfe ausgewählter Analysen erfolgt eine fundierte Potenzialabschätzung, die als qualifizierte Grundlage für das Target Setting dient.

Letztendlich gilt es die Lasten eines PiP Programmes intelligent und mit dem besten a priori Wissen auf die Bereiche und einheiten zu verteilen. Untenstehend listen wir beispielhaft einige “Klassiker” Analysen auf. Die Datengrundlage für eine qualifizierte Potenzialfindung und Zielfestsetzung ist in den allermeisten Fällen bereits im Unternehmen vorhanden. Die folgenden Analysen haben sich in der Praxis besonders bewährt:

  • Pricing Compliance Analyse
    Ermittelt wird das Pricing Potenzial aus allen jenen Leistungen, die für Kunden erbracht, aber den Kunden nicht weiterverrechnet werden.
  • GCI Profit Dashboard
    Diese Analyse gibt Antwort auf die Frage: Wo kommt der Profit eigentlich her?
  • Overall Equipment Effectiveness (OEE)
    Sie misst wie viel an ungenutzten Kapazitäten der Anlagen „verschwendet“ wird.
  • Kernkostenanalyse
    Ziel ist die Klassifizierung der Kosten in Kernkosten und Nichtkern-Kosten und Reduktion der Nichtkern-Kosten.
  • SG&A Benchmarking
    Diese Methode dient zur Ableitung von Einsparungspotenzialen im Bereich der Personal- und Sachkosten über Zeitreihen- bzw. Quervergleich von funktionsbezogenen Effizienzkennzahlen, die aus Input-Output-Relationen gewonnen werden.
  • Bestandsanalyse
    Die Bestandsanalyse ermittelt die optimalen Lagerstände bei gegebenen Reaktionszeiten, Verfügbarkeiten und Wiederbeschaffungszeiten und vergleicht sie mit den aktuellen Beständen.
  • Analyse der Forderungen und Verbindlichkeiten
    Diese Analyse identifiziert nicht marktkonforme Zahlungsziele, Überfälligkeiten und Schwachstellen im Mahnungs- und Beschaffungsprozess.

Diese Analysen decken den gesamten Untersuchungsbereich – Kostenstellen und Kostenarten einschließlich Umlaufvermögen ab.

4. Smartes Programm Design ist die halbe Miete

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche Umsetzung ist ein durchdachtes Design des Ergebnisverbesserungsprogrammes. Hier die wesentlichen Prinzipien:

  • Kongruenz zwischen Projekt- und Linienorganisation. Die Projektorganisation muss die Linienorganisation wiederspiegeln. Das Kernteam ist das zentrale Projektteam des Unternehmens. Es berichtet an den Lenkungsausschuss und sollte neben der gesamten Geschäftsführung die wesentlichen Key Player des Unternehmens umfassen.
  • Wirksame Incentivierung der Key Player. Alle Key Player im Kernteam müssen entsprechend incentiviert sein. Sie müssen am Erfolg der Ergebnisverbesserung über ihre Zielvereinbarungen teilhaben können, um an einem Strang zu ziehen.  
  • Prozessunterstützung und Steuerung durch das Projekt Office. Flankierend zur Projektorganisation gilt es ein Project Office einzurichten. Idealerweise mit einer dedizierten Ressource: Ein Project Officer hat Zugang zum System, macht bei Bedarf Datenabzüge, verteilt Maßnahmenblätter, leistet Hilfestellung bei der Befüllung, sammelt diese ein und konsolidiert sie bzw. bereitet Meetings vor- und nach, und leitet in der Umsetzungsphase das Maßnahmencontrolling.
  • Strukturierter Prozess der Maßnahmenfindung und -erfassung. Ein über die ganze Organisation laufendes Programm erfordert einen strukturierten, iterativen Prozess für die Generierung und Dokumentation von Maßnahmen. Dieser Prozess wird maßgeblich durch das Project Office gesteuert und unterstützt

5. Das Ergebnisverbesserungsprogramm ist ein operatives Konzept

Das Ergebnisverbesserungsprogramm ist ein operatives Konzept, das auf einen Umsetzungszeitraum von zwei bis drei Jahren angelegt ist. Es dient nicht dazu, die grundsätzliche Ausrichtung des Geschäftsmodells in Frage zu stellen, sondern versucht auf Basis der Geschäftsstrategie Strukturen und Prozesse auf maximale Effizienz zu trimmen. Bedenken Sie: Ziel des Programms ist ein Evolutionssprung, nicht die Erschaffung einer neuen Spezies. Als bewährter Denkrahmen dienen die G&V und der ROCE Treiberbaum. Erstere, weil hier  die gesamte Kostenstruktur abgebildet wird, und sich letztendlich die Wirksamkeit des Programms darin widerspiegeln muss, zweiterer, weil der ROCE Treiberbaum Profitabilität und Umlaufvermögen miteinander in einer Zielgröße verknüpft.

Die G&V, samt dahinterliegender Kostenstellenrechnung als Denkrahmen zu wählen scheint auf den ersten Blick vielleicht ein wenig banal, aber es geht bei der Ergebnisverbesserung nicht darum den Pokal für den kreativsten Denkrahmen zu gewinnen, sondern einen Rahmen zu finden, in dem nichts übersehen wird, und wo die Wirkung der Maßnahmen unmittelbar ersichtlich ist.

6. Sofortmaßnahmen sofort anstoßen

Die Maßnahmenfindung ist ein kreativer Prozess. Hier darf es keine Denkverbote geben. Ein hohes Anspruchsniveau fordert die Kreativität heraus, und befördert das Management aus der Komfortzone heraus – und das ist gut so.

Unsere Erfahrung zeigt, dass das Spektrum der gefundenen Maßnahmen im Allgemeinen sehr breit ist. Von der einfachen Reduktion der Ausgaben für Büroreinigung bis zu ausgefeilten Logistikkonzepten, Standortverlagerungen oder dem Einsatz neuer Produktionstechnologien findet sich für gewöhnlich alles im Maßnahmenportfolio. Ein wichtiger Schritt ist daher das Ordnen und die Priorisierung der Maßnahmen. Die detaillierte Maßnahmenbeschreibung ermöglicht eine Bewertung im Hinblick auf Potenzial, Umsetzungsrisiken, gegenläufige Kosten und Effekte, interner Ressourcenbedarf und Zeithorizont der Umsetzung.

Zunächst wandern alle Maßnahmen, die Beiträge liefern und die keine gegenläufigen Kosten und Risiken haben in den Topf “Erste Welle – Sofortmaßnahmen”. Ein rasches Anstoßen der Sofortmaßnahmen (nomen est omen) sichert positive Ergebnisbeiträge schon im  ersten Jahr.

Bei den komplexeren Maßnahmen gilt es abzuschätzen wie viele Ressourcen durch deren Umsetzung gebunden werden, bzw. wie die gegenläufigen Effekte zu bewerten sind. So kann die Umsetzung eines neuen Produktions- oder Logistikkonzeptes mit einem Stillstand der Produktionslinie verbunden sein. Die damit verbundenen Kosten und Investitionen müssen sich innerhalb einer bestimmten Zeitspanne (meist zwei bis drei Jahre) rechnen. Die komplexeren Maßnahmen, die innerhalb des zeitlichen Rahmens umsetzbar sind, und deren Investitionen den geforderten Pay Back ergeben kommen in den Topf “Zweite Welle”, und werden zeitlich abgestimmt nach den Sofortmaßnahmen angestoßen. Die positive Effekte dieser Maßnahmen sind zwar größer, werden aber im Anlaufen durch die gegenläufigen Effekte geschmälert, und kommen aufgrund der Komplexität der Umsetzung auch später.

7. Die Umsetzung muss gemessen werden

Einer der Kardinalfehler in der Durchführung von Ergebnisverbesserungsprogrammen ist eine unzureichende Nachverfolgung der Maßnahmen im guten und oft naiven Glauben an die Umsetzungsstärke des Managements. Unsere Erfahrung lehrt, dass Ergebnisverbesserungsprogramme ein Anspruchsniveau haben, das weit über das normale Maß des alljährlichen Kostenschrubbens hinausgeht. Die Umsetzung der Maßnahmen setzt alle Bereiche unter Spannung. Oft formieren sich Widerstände und die Führungskräfte laufen Gefahr, dass sich die Umsetzung verzögert, Maßnahmen “modifiziert” werden und die angestrebten Effekte nicht erreicht werden können. Wir empfehlen daher ein stringentes Maßnahmencontrolling, das den Fortschritt der Umsetzung über monetäre und nicht-monetäre Parameter misst. Oft ist es so, dass man die Effekte von Maßnahmen auf den Kostenstellen und Kostenarten nicht sauber von anderen Effekten trennen kann. Daher auch der nicht-monetäre Parameter. In anderen Worten: Beobachten Sie den evolutionären Fortschritt genau, um unerwünschten Mutationen rechtzeitig entgegenwirken zu können.

Abschließend sei geraten: Nehmen Sie sich die Struktur-flexible Sukkulenten-Pflanze zum Vorbild. Es könnte Ihre Art vom Aussterben retten. Das Ergebnisverbesserungsprogramm ist in seinem Umfang sicher mehr die Ausnahme als die Regel, denn letztlich ist der Kampf gegen die Preis-/Kostenschere ureigenste Linienaufgabe. Ist die Ergebnislücke zwischen der aktuellen Performance des Unternehmens und den Ansprüchen der Eigentümer aber zu groß, braucht es einen konzertierten Ansatz.

Der oben beschriebene Ansatz hat sich in unseren Projekten vielfach bewährt. Sollten Sie zur Einsicht kommen, dass es in Ihrem Unternehmen ein Ergebnisverbesserungsprogramm braucht, dann folgen Sie dem Download zum Whitepaper – darin finden Sie eine genaue Skizzierung, wie ein Performance Improvement Program erfolgreich aufgesetzt und umgesetzt wird. May the fittest survive!

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