Andreas Frischherz | Mai 14, 2020

Corona setzt Digitalmanager:innen unter Ergebnisdruck

Digitalmanager:innen hatten es schon vor der Pandemie nicht leicht. Meist tragen sie keine Linienverantwortung sondern übernehmen Beratungs- und Entwicklungsaufgaben mit dem Ziel, Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Eine schwierige Aufgabe angesichts der Unberechenbarkeit der Zukunft, der wir heute entgegenblicken. Gleichzeitig braucht die Wirtschaft gerade jetzt Visionär:innen. Dafür suchen Personalabteilungen nach sogenannten „strategischen Querdenker:innen”. Das sind Leute mit großen Ideen, aber meist kleinen Handlungsspielräumen. Als wäre das nicht schon Herausforderung genug, geraten sie jetzt auch noch zunehmend unter Ergebnisdruck.

Oft sind es Exot:innen. Menschen, die Biomedizintechnik studiert haben oder in der Start-up Szene umtriebig waren. Es sind Leute mit Vision und Ambition, nach denen etablierte Unternehmen suchen, um den Staub von ihren Geschäftsmodellen oder Unternehmensprozessen zu waschen und sie fit für die digitale Zukunft zu machen. Dabei suchen Konzerne und Mittelständler ganz gezielt nach Querdenker:innen – Digitalmanager:innen haben immerhin einen Veränderungsauftrag. Dass sich das Querdenken im Digitalbereich mit dem Geradedenken in der restlichen Organisation nicht immer besonders gut verträgt, liegt auf der Hand. Konflikte mit den Platzhirschen der alten Schule sind quasi vorprogrammiert. Konflikte, die nicht immer konstruktiv sind: Inwiefern die Querdenker:innen erfolgreich sein können, hängt davon ab, ob sie ihre Ideen überhaupt umsetzen können. Digitalmanager:innen in großen Unternehmen sind also ohnehin seit jeher in der undankbaren Lage, ihre Initiativen unter oft recht großem Widerstand durchsetzen zu müssen. Und dabei geraten sie nun zusätzlich unter Zeitdruck. Denn die Corona-Pandemie hat in vielen Wirtschaftsbereichen für einen Digitalisierungsdruck gesorgt.

Der Welpenschutz ist vorbei

Während den Digitalmanager:innen bislang oft bedingungslos Spielgeld zugesteckt wurde, um sich auszutoben – als Investment in die Zukunft sozusagen – wird in der aktuellen Situation auch ihre Leistung an harten KPIs gemessen. Das ist neben dem aktuellen Kosten- und Ergebnisdruck auch nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass nun (endlich) die Einsicht Platz greift, dass Digitalisierung nicht der Digitalisierung wegen erfolgt, sondern einen wirtschaftlichen Mehrwert schaffen muss: entweder sie erhöht den Kundennutzen oder sie senkt die Prozesskosten eines Unternehmens. Für technische Spielereien ohne klaren Ergebnisbeitrag fehlt heutzutage den meisten Unternehmen das nötige Kleingeld.

Die Konsequenz: Was sich jetzt nicht rechnet, muss hinterfragt und abgeschafft werden. Dadurch steigt auch besonders der Druck auf Digitalabteilungen. Entweder bewähren sich die Digitalmanager:innen jetzt und nutzen den Krisenmoment als Chance – oder ihre Budgets und sogar Stellen werden gestrichen. Auf der anderen Seite nutzen wir gerade in diesen Tagen digitale Technologie in vermehrtem Ausmaß. In jedem Fall steht die digitale Transformation derzeit in vielen Unternehmen an einem Wendepunkt.

Zeit, zu liefern

Damit die Querdenker:innen ihre Ideen umsetzen können, brauchen sie die Unterstützung der Unternehmensführung. Entscheidend ist, dass ihre Ansätze in die Unternehmensstrategie integriert werden und operativ in den einzelnen Geschäftsbereichen umgesetzt werden. Dafür müssen die Digitalexpert:innen aus ihren Labs und Stabstellen herausgelassen werden und ihren Weg in die Kernorganisation finden.

Bis jetzt ging es in vielen Unternehmen vorrangig darum, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu erkunden, die Kultur für digitale Technologien zu öffnen und eine neue gemeinsame Vision zu schaffen. Diese Art der Grundlagenarbeit konnten die Digitaleinheiten auch herausgelöst von der Linienorganisation gut bewältigen. In ihren Labors konnten sie recht unberührt vom Tagesgeschäft neue Technologien entwickeln und Prototypen bauen. Kreative Pionierarbeit ohne Ergebnisdruck.

Nun ist es aber an der Zeit, dass den hohen Investitionen der letzten Jahre auch Erträge folgen. Es braucht konkrete neue Prozesse und/oder neue kundenorientierte Services bzw. neue Geschäftsmodelle, die messbare Ergebnisverbesserungen liefern. Das stellt viele Unternehmen vor eine Weggabelung: Entweder man gesteht den Digitalmanager:innen mehr Handlungsspielräume zu in der Hoffnung, dass damit Kostenpotenziale gehoben oder neue Umsatzquellen entstehen. Oder man streicht strategische Budgets, entzieht den Querdenker:innen die „Lizenz zur Narrenfreiheit” und dreht der Digitalisierung den Strom ab. Die Zeit für Experimente mit unsicherem Ziel bzw. Ergebnis ist jedenfalls vorbei.

Nach allem, was wir heute wissen, dürfen wir erwarten, dass der Ergebnisdruck in der Industrie noch weiter steigen wird. Es ist also ratsam, den aktuellen Krisenmoment nicht nur zur kurzfristigen Kostenreduktion zu nutzen, sondern vielleicht auch für eine bewusste mittelfristige strategische Weiterentwicklung von Prozessen, Geschäftsmodellen und konsequenterweise auch der Organisation. Denn kurzfristig mag ein Einsparen der Digitalbudgets die Situation bestimmt entschärfen, aber mittel- und langfristig kann man sich dadurch neue Ergebnisgrundlagen zunichte machen. Ob teurer Spaß ohne Aussicht auf Ergebnisbeitrag oder Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft – die Corona-Krise  richtet nun das Schlaglicht auf die Digitaleinheiten und zwingt Unternehmen, richtungsweisende Entscheidungen zu treffen. Das ist nicht immer bequem, aber in vielen Fällen ohnehin überfällig. Und damit kommt mit der Krise auch etwas Gutes – nämlich Klarheit.

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