Walter Maderner | August 11, 2022

Business War Gaming: Im Preiskampf gibt es nur Verlierer

Was Kundinnen und Kunden erspart bleibt, kostet Unternehmen meist viel – und zwar an Deckungsbeitrag. Besonders problematisch wird es, wenn sich die Preisspirale marktweit abwärts dreht. Um Marktanteile zu verteidigen, sehen sich Anbieter gezwungen, immer weitere Preissenkungen zu gewähren, was ihre Margen oft bis zur Unwirtschaftlichkeit schmälert. Wo die Grenzkosten gleich Null sind, ist diese Gefahr eklatant. Das Business War Game mit einem Klienten im Telekommunikationsbereich zeigte Wege aus der Abwärtsspirale auf.

Wer immer nur reagiert, übersieht die Chancen, das Marktgeschehen selbst mitzugestalten. Dann folgt die Entwicklung neuer Angebote nicht einem kontinuierlichen Prozess, sondern oft unzureichend durchdachten Ad-hoc-Aktivitäten. Das beobachtete ein führender Telekom-Anbieter am eigenen Pricing-Verhalten als er sich für ein Business War Game entschied. Zum Zeitpunkt der Projektanfrage wurden die Preisentscheidungen primär nach Bauchgefühl und als Antwort auf die Aktionen der Wettbewerber getroffen. Es fehlte ein strukturierter Ansatz zur Gestaltung neuer Tarife, der auch die dadurch erwartbaren Wettbewerbsbewegungen berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund erkannte der Klient die Notwendigkeit, einen Kulturwandel anzustoßen, um den Pricing-Prozess zu professionalisieren.

Was wäre, wenn der Telekom-Anbieter einen neuen Diskonttarif lanciert?

Auf diese Frage suchte der Klient im Rahmen des Business War Games nach Antworten. Ziel war es, herauszufinden, welche Marktanteils- und Umsatzeffekte der Launch eines aggressiven Niedrigpreis-Angebots hätte – und nicht zuletzt: Wie der Wettbewerb darauf reagieren würde. Aufgrund der fokussierten Problemstellung wurde ein Markt War Game als verschlankte Variante mit zwei statt drei Spielzügen aufgesetzt. Die Basis dafür bildete ein Modell, das die Marktdynamik in ihren Grundzügen abbildet, dabei aber einfach und intuitiv zu handhaben ist. Anhand dieses Modells war es möglich, die Auswirkungen der Spielzüge auf KPIs wie Marktanteile und Kundenprofitabilitäten zu messen.

Business War Gaming als Rollenspiel

Um die Strategie des Klienten unter dynamischen Bedingungen zu simulieren, wurden vier Teams gebildet:

  • Das Unternehmens-Team übernahm die Rolle des Klienten und setzte die strategischen Entscheidungen, die getestet werden sollten.
  • Zwei Wettbewerber-Teams vertraten die beiden direkten Mitbewerber und reagierten auf die Aktionen des Klienten.
  • Das Kontroll-Team steuerte den Spielprozess und fasste die simulierten Ergebnisse der Spielzüge zusammen.
  • Das sonst übliche Markt-Team wurde in diesem Fall durch das vorab entwickelte Modell ersetzt.

Wie aufschlussreich ein Business War Game am Ende ist, entscheidet sich erfahrungsgemäß während dem Set-up. Darum haben wir bei der Zusammenstellung der Teams besonders auf folgende Faktoren geachtet:

  • Eine Teamgröße von zwei bis drei Personen ist optimal. So kann ein kreativer Austausch stattfinden während die Entscheidungsfindung effizient bleibt.
  • Da es sich in diesem Fall um ein Market War Game handelte, brauchte es eine funktionsübergreifende Expertise. Darum nahmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Marketing, Markenmanagement, Produktmanagement und Vertrieb daran teil.
  • Entscheidend ist außerdem, wie realistisch die Reaktionen der Wettbewerber eingeschätzt werden können. Dafür kann es sich zum Beispiel lohnen, Vertriebsmitarbeiter und Mitarbeiterinnen von unabhängigen Händlern zum Business War Gaming einzuladen. 

Im Fall des Telekom-Anbieters wurde das Business War Game in zwei Spielzügen durchgespielt, für die jedes Team seine Marktpositionierung, die Kundenzielgruppen und das spezifische Angebot an die Kundinnen und Kunden formulierte. Das Unternehmens- und die Wettbewerber-Teams analysierten zunächst die Situation und trafen dann ihre Entscheidungen. Nach jedem Spielzug simulierte das Kontroll-Team die Effekte der Aktionen anhand des Marktmodells und präsentierte die Ergebnisse im Hinblick auf die Entwicklung der Marktanteile und des Preisniveaus.

Feuer lässt sich nicht mit Feuer bekämpfen

Nach Abschluss der beiden Spielzüge war Eines klar: Wenn der Klient die Abwärtsspirale der Telekommunikations-Preise weiter antreibt, würden dabei alle Marktteilnehmer verlieren – vorrangig aber er selbst. Denn als Reaktion auf den Launch eines neuen Diskonttarifs musste man mit noch aggressiveren Konkurrenzangeboten rechnen, die das Preisniveau weiter drücken würden. Während dem Spiel erkannte der Klient, wie wichtig das Finetuning seiner Marketingaktivitäten war, um Marktanteile zu verteidigen ohne dabei eine Preisschlacht anzufachen.

Damit legte der Telekom-Anbieter den Grundstein für einen Kulturwandel im Unternehmen. Denn das Business War Game sensibilisierte die teilnehmenden Entscheiderinnen und Entscheider für die fragile Preissituation am Telekommunikationsmarkt. Das zeigt, dass der Wert der Simulation oft weit über die Hilfestellung in einem konkreten Entscheidungsmoment hinausgeht. Aus unserer Erfahrung wissen wir, wie wichtig eine sorgfältige Vorbereitung und Taktung des Prozesses für den Erfolg des Business War Games ist. Im kostenlosen Download stellen wir Ihnen deshalb eine detaillierte Anleitung bereit.

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