Andreas Frischherz | September 10, 2020

Pricing: Der unterschätzte Ergebnishebel

Wussten Sie, dass eine 1%-ige Preiserhöhung durchschnittlich zu einer 12,5%-igen Verbesserung des operativen Ergebnisses (EBIT) führt? Trotzdem unterschätzen viele Industrieunternehmen die Macht des Preismanagements. In der Praxis basiert die Preisbestimmung oft auf einer Kosten-Plus-Methode und lässt die Kundenperspektive damit völlig außer Acht. Dabei ist es die Kernaufgabe des Preismanagements, eine faire Bewertung des Nutzens eines Produkt-Service-Bündels aus Sicht der Kunden anzustellen. Mit Kosten hat das im ersten Schritt gar nichts zu tun. Eine Erinnerung an alle notorischen Sparmeister, dass es einen Ergebnishebel gibt, der noch stärker ist als die Kosten: der Preis.

Fragt man Führungskräfte nach ihren Zielen, hört man oft eine von zwei Antworten: Erstens, eine Ergebnisverbesserung um x%. Oder zweitens, eine Kostensenkung um y%. Dabei wird Letzteres meist herangezogen um Ersteres zu erreichen. Und eines oft völlig übersehen: Der Preis als stärkster Hebel für die Verbesserung – aber auch die Verschlechterung – des operativen Ergebnisses. Besonders deutlich wird die Wirkkraft von Preisen als Ergebnistreiber im Vergleich zu anderen Parametern in der Ergebnismechanik.

Während eine Preiserhöhung um 1% ceteris paribus zu einer EBIT-Verbesserung um 12,5% führt, wirkt sich eine 1%-ige Reduktion der variablen Kosten nur mit einer 8,5%-igen Verbesserung auf das EBIT aus – eine Kürzung der Fixkosten gar nur mit einer 3%-igen Verbesserung. Das heißt, die Durchschlagskraft auf das Ergebnis ist über den Preis vier Mal höher als zum Beispiel über die Fixkosten.

Die Kosten sind kein guter Maßstab für die Preissetzung

Im Industriegeschäft ist dennoch die Kosten-Plus-Methode der häufigste Ansatz zur Preisbestimmung. Bei genauer Betrachtung wird die Wertschöpfung bzw. der erreichte Kundennutzen dadurch aber oft nicht ausreichend abgebildet. Die starren Aufschlagsfaktoren berücksichtigen die Wertigkeit der Produkte und Services aus Sicht der Kunden nicht und können dadurch die Zahlungsbereitschaft der Kunden nicht optimal abschöpfen. Gleichzeitig werden die hart erarbeiteten Kosteneinsparungen aber meist direkt in der Kalkulation wieder an die Kunden weitergegeben. Viele Unternehmen arbeiten seit Jahren auch mit pauschalen Preiserhöhungen – z.B. 2% über alle Produkte. Das ist zwar simpel und pragmatisch, hat aber auch zur Folge, dass manche Leistungen zu stark und andere zu wenig angepasst werden. Die unweigerliche Konsequenz: Risiko des Absatzverlustes bzw. mangelhafte Ausschöpfung der bestehenden Preispotenziale.

Der „Marktpreis” ist ein Mythos

Im Industriebereich gibt es den Marktpreis, wie man ihn aus dem Konsumgüterbereich kennt, eigentlich nicht. Bei spezifischen Produkt-Service-Bündeln, die stark von Kunde zu Kunde differieren, braucht es daher ein individuelles Pricing, das den Kundennutzen im Einzelfall und in der spezifischen Wettbewerbssituation reflektiert. Je differenzierter man bei der Preissetzung vorgeht, desto mehr Ergebnispotenzial kann realisiert werden. Voraussetzung dafür ist ein tiefgreifendes Verständnis der Kunden, ihrer Geschäftsmodelle, Fertigungs- und Supply-Chain-Prozesse sowie ihrer Kosten-/Ergebnisstrukturen. Ebenso muss man neben dem eigenen Erfüllungsgrad der spezifischen Kundenanforderungen auch die jeweilige Position des direkten Wettbewerbs bei den Kunden einschätzen und berücksichtigen.

Wer die Preise auf Basis einer solchen Analyse differenziert setzen kann, kann die unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften besser abschöpfen als das mit einem Fixpreis für den Gesamtmarkt möglich wäre.

Dieser Denkansatz ist die Basis eines professionellen Preismanagements für Industrieunternehmen, das sich durch folgende fünf Kernelemente auszeichnet:

  • Differenzierte Preis-Strategien
    Es gilt dabei unter Berücksichtigung spezifischer Werttreiber sowie der jeweiligen Wettbewerbs- und Industriedynamik unterschiedliche Preisstrategien für einzelne Kunden/-segmente zu bestimmen. Die Ausgangsbasis bildet jedenfalls der jeweils wahrgenommene Kundennutzen.
  • Klare Preis- und Rabattsysteme
    Grundlage für ein effektives Preismanagement ist neben der Bestimmung von unterschiedlichen Preisstrategien für Kunden/-segmente die Definition von Zielpreisen für sämtliche angebotene Produkt-/Servicebündel und ein auf Basis der Einschätzung der jeweiligen Verhandlungsmacht gegenüber den Kunden/-segmente abgeleitetes Nachlass-/Rabattsystem. Nur so kann auch die Preisdurchsetzungskraft des eigenen Vertriebs hart gemessen werden.
  • Laufendes Performance Tracking und Management
    Punktuelle Pricing Projekte mit meist undifferenzierten Preiserhöhungen sind in der Praxis zwar häufig anzutreffen, haben aber meist nur kurzfristige Effekte. Nachhaltiges Preismanagement erfordert eine laufende Evaluierung und Weiterentwicklung der segmentbezogenen Preis-Strategien sowie das Setzen von spezifischen Preismaßnahmen auf Basis einer Veränderung des Kundennutzens oder der Wettbewerbsdynamik sowie einer Kenntnis der echten Transaktions-Profitabilität unter Berücksichtigung der jeweiligen gesamten Cost-to-Serve.
  • Spezifische Ziel- und Incentive-Systeme
    Preismanagement ist nicht nur Sache des Vertriebs. Ganz im Gegenteil – Pricing ist eine cross-funktionale Aufgabe und aufgrund der hohen Bedeutung für das Unternehmensergebnis auch eine Top-Management Verantwortung. Die Ziel- und Incentive-Systeme sollten daher auf gesamtbetrieblicher Ebene auch entsprechend ausgerichtet werden.
  • Laufender Fähigkeitsaufbau
    Unternehmensinterne Kommunikation über erfolgte Transaktionen, spezifische Trainings, Einsatz dedizierter Tools und laufender abteilungsübergreifender Austausch von Best Practices bis zum Aufbau einer eigenen Funktion können dabei helfen, ein solides, nachhaltiges und effektives Preismanagement zu etablieren und laufend weiter zu entwickeln.

Preismanagement gehört zu den wichtigsten Managementaufgaben in der mittel- bis langfristigen Ergebnissteuerung eines Unternehmens. Oft sehen wir in unserer Beratungspraxis, dass Unternehmen ihre wahre Preismacht unterschätzen und sich dem falschen Glauben hingeben, dass nachhaltige Ergebnisverbesserungen vorrangig über den Kostenhebel oder eine Absatzsteigerung zu holen seien.

Mit einem professionell aufgesetzten Preismanagement können hinsichtlich der Auswirkungen weder Kostensenkungsprogramme noch Absatzsteigerungen so einfach mithalten. Der Preis ist der stärkste Ergebnishebel im Industrieunternehmen. Wie setzen Sie ihn ein?

Im Download stellen wir Ihnen kostenlos einige Erkenntnisse aus unserer Beratungspraxis zur Verfügung, die zeigen, wieso der Preis-Strategie als Gewinnhebel eine besondere Bedeutung zukommt. Außerdem haben wir typische Defizite im Preismanagement für Sie zusammengefasst, sowie Ansatzpunkte zur Optimierung.

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