Walter Maderner | August 11, 2022

Auf der Suche nach der optimalen Losgröße

Der Erfolg des Einzelnen ist nicht immer ein Gewinn für alle. Das gilt auch im Unternehmenskontext. Mit einem Jahresbestand an Umsätzen im Fertigwarenlager sichert der Vertrieb zwar sein Service Level – gleichzeitig explodiert finanzseitig aber das Working Capital. Neben Reaktionszeiten und Sicherheitsbeständen ist die Größe der Produktionslose die wichtigste Determinante von Fertigwarenbeständen. Sie steht im Spannungsfeld zwischen Verfügbarkeitszielen, Rüst- und Lagerkosten und wird dort oft als wirkmächtiges Steuerungsinstrument übersehen.

Wenn es auf eine Frage mehrere Antworten gibt, bleibt sie oft ungelöst. Denn dann braucht es eine gesamthafte Betrachtung, die sinnvolle Trade off-Entscheidungen möglich macht. Doch die meisten Industrieunternehmen sind disziplinär ausgerichtet und selten schaut jemand über die Grenzen der eigenen Abteilung hinaus. Darum zeigt sich bei vielen Klienten das gleiche Bild: Die Optimierungsprozesse innerhalb der einzelnen Betriebsbereiche sind oft sehr fortgeschritten, während auf übergeordneter Ebene mitunter erhebliche Potenziale schlummern.

Es fehlt der Blick fürs große Ganze

Die Entscheidung über die Losgröße liegt üblicherweise in der Verantwortung des Produktionsmanagements. Dort ist man bemüht – und meist auch incentiviert –, die Rüstkosten pro Produktionslauf zu minimieren. In vielen Betrieben führt das zu einer zunehmenden Größe von Produktionslosen. Angesichts der Tatsache, dass für das Umrüsten von Industrieanlagen nicht selten eine ganze Arbeitsschicht aufgewendet werden muss, scheint das zunächst durchaus sinnvoll. Denn so können teure Rüstkosten auf eine erhöhte Zahl an Fertigwaren umgelegt werden. Wer die Konsequenzen dieser Tendenz jedoch über die Grenzen der Produktionsabteilung weiterdenkt, erkennt:

  • Je größer das Produktionslos, umso höher der punktuelle Lagerzuwachs zum Ende eines Produktionslaufs und die damit verbundenen Kosten.
  • Außerdem gehen große Produktionslose mit längeren Wiederbeschaffungszeiten einher. Das kann zu Schwierigkeiten führen, wenn sich inzwischen zum Beispiel das Nachfrageverhalten verändert oder die Waren durch lange Lagerzeiten an Wert verlieren.

Für eine gesamthafte Optimierung von Produktionslosen im Hinblick auf Rüst- und Lagerkosten braucht es also den Blick fürs große Ganze. Erfahrungsgemäß ist man dafür in vielen Industriebetrieben aber zu sehr mit dem kleinen Einzelnen beschäftigt.

Ohne Transparenz kein Durchblick

Erschwerend kommt hinzu, dass die notwendige Datengrundlage für eine Gesamtlösung der Fragestellung oft nicht gegeben ist. Die Informationen müssen dann zuerst aus den einzelnen Abteilungen gesammelt und zusammengeführt werden. Das ist komplex und mit erheblichem Ressourcenaufwand verbunden. Die gute Nachricht ist: Unserer Erfahrung nach ist die Basis dafür in den meisten Unternehmen bereits vorhanden. Der Großteil der erforderlichen Informationen wird von den Systemen für Auftragsmanagement, Lagerhaltung und Produktionsplanung digital erfasst. Es gilt, daraus ein Gesamtbild zu schaffen, anhand dessen zum Beispiel folgende Fragen beantwortet werden können:

  • Wie groß sind die Produktionslose?
  • Wie groß ist der Abstand zwischen zwei Produktionsläufen?
  • Wann entstehen Rüstzeiten?
  • Wie stellt sich die zeitliche Entwicklung der Lagerstände dar?
  • Welcher Sicherheitsbestand darf nicht unterschritten werden?
  • Welche Service Levels müssen eingehalten werden?

Transparenz ist die Voraussetzung für eine funktionsübergreifende Betrachtung von Produktionszyklen, Losgrößen, Reaktionszeiten und Sicherheitsbeständen. Nur wer eine belastbare Datenbasis schafft und die Systemzusammenhänge erkennt, kann eine gesamthafte Optimierung erreichen. Um die Wechselwirkungen zwischen den Determinanten von Fertiwarenbeständen deutlich zu machen, finden Sie im kostenlosen Download dazu eine grafische Darstellung. Außerdem haben wir dort weiterführende Erklärungen und Beispiele für Sie zusammengefasst.

Auf der Suche nach der optimalen Losgröße geht es also um weit mehr als die Minimierung von Rüstkosten. Trotzdem werden Produktionslose heute oft ohne Berücksichtigung der Bestände bestimmt. Damit verschenken Industriebetriebe nicht nur wertvolle Optimierungspotenziale, sondern auch die Chance, eine neue, cross-funktionale Perspektive auf das eigene Unternehmen zu gewinnen. Zugegeben: Die gesamthafte Optimierung von Produktionslosen ist keine triviale Aufgabe – sie erfordert viel Zeit und Commitment. Aus unserer Erfahrung wissen wir jedoch, dass sich das Investment lohnt. Denn selbst, wenn dabei nicht das exakte Optimum im Spannungsfeld zwischen Verfügbarkeitszielen, Rüst- und Lagerkosten gefunden wird, kann man ihm zumindest einen Schritt näher kommen. Und das ist ein Gewinn für alle – nicht nur für den Einzelnen.

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