Andreas Frischherz | Oktober 1, 2020

8 Mythen und Fakten im Preismanagement

Auch im Jahr 2020 gibt das Thema Preismanagement der Industrie Rätsel auf. Obwohl Forschung und Praxis ein konsistentes Bild der Realität zeichnen, ranken sich noch immer viele Mythen um das Thema Preismanagement im B2B Bereich. Eines sei dabei gleich vorweg genommen: Solche Irrglauben kommen teuer. Denn wie wir in diesem Artikel festgestellt haben, ist der Preis der stärkste Ergebnishebel. Wer nicht weiß, wie man ihn bedient, verliert zwangsläufig. Wir räumen auf mit den 8 hartnäckigsten Mythen über Preisstrategie und Preissetzung und gehen der Wahrheit auf den Grund.

Früher war alles einfacher. Ein Verkaufsprodukt wurde auf die Waage gelegt, man eruierte, wie viel Stahl darin enthalten ist, multiplizierte das mit dem aktuellen Stahlpreis und addierte eine Zielmarge. Damit war der Preis gesetzt. “Das kann man mit Elektronik nicht mehr machen, eine Software kann man nicht auf die Waage legen”, sagt Ferdinand Dudenhöffer. Heute ist deshalb der wichtigste Anhaltspunkt für die Preissetzung der Nutzen, den das eigene Angebot für die Kunden hat. Und das gilt nicht nur für zunehmend Software-basierte Lösungen sondern auch für jedes Produkt-Service-Bündel. Erschwerend kommt hinzu, dass jeder Kunde den Nutzen unterschiedlich bewertet. Wer das verstanden hat, kann einige der 8 Mythen rund ums Preismanagement bereits als solche entlarven:

1. Preise werden vom Markt gesetzt

Die Wahrheit ist: Es gibt keinen Marktpreis im B2B Geschäft. Denn kein Auftrag gleicht dem anderen. Jeder Kunde hat unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen, sieht sich einer spezifischen Wettbewerbssituation gegenüber und wirtschaftet mit individuellen Kosten- und Ergebnisstrukturen. Entsprechend stark differiert auch die Wertigkeit, die verschiedene Kunden dem gleichen Angebot beimessen. Es gilt: Pricing is detail. Je differenzierter man bei der Preissetzung vorgeht, desto mehr Ergebnispotenzial kann realisiert werden.

2. Kosten sind die Basis für die Preissetzung

Tatsächlich haben Preise mit Kosten nichts zu tun – außer natürlich, dass sie diese möglichst decken sollten. Als Basis für die Preissetzung sind sie allerdings denkbar schlechte Anhaltspunkte. Viel sinnvoller ist dagegen die Bestimmung eines Preispunktes, der eine faire Bewertung des Nutzens eines Produkt-Service-Bündels aus Sicht des Kunden widerspiegelt.

3. Preis ist der wichtigste kaufentscheidende Faktor

Verstehen Sie uns nicht falsch: Natürlich entscheidet der Preis, wenn alle anderen Angebotsfaktoren gleich sein. Nur ist das in der Industrie praktisch nie der Fall. Viele Kundenbefragungen zeigen, dass Sortiment, Produkt- bzw. Servicequalität, Reaktionszeiten, Total Cost of Ownership, etc. meist eine höhere Bedeutung in der B2B Kaufentscheidung haben als der Preis.

4. Preise rauf – Menge runter

Ein Lieferantenwechsel ist nicht kostenlos und in manchen Fällen sogar teurer als die Kostenersparnisse, die man dadurch realisiert. Im B2B Bereich, wo die Kundenprozesse meist eng mit denen der Zulieferer verwoben sind, werden die “switching costs” oft unterschätzt – und zwar auf Seiten der Verkäufer. “Sich-aus-dem-Markt-preisen” ist oft schwieriger als man gemeinhin annimmt.

5. Commoditisierung verhindert Differenzierung

So hat man das bis vor nicht allzu langer Zeit noch in den Wirtschaftsvorlesungen gelernt. Aus der Praxis weiß man, dass das nicht stimmt. In Wahrheit erfolgt bei Commodity-Produkten die Differenzierung nämlich über die Erfüllung der weiteren  Kundenbedürfnisse über die gesetzten Produktspezifikationen hinaus also im Bereich Service – und zwar genau in dem Maße, in dem der Kunde das verlangt bzw. der beste Mitbewerber das gerade nicht mehr macht.

6. Großer Marktanteil bedeutet hohen Profit

Marktanteil und Profit können korrelieren, müssen aber nicht. Eine nutzenbasierte Gestaltung von Produkt- und Serviceangeboten ist der Schlüssel zu hoher Profitabilität. Dafür braucht es Leadership im Verständnis und in der Erfüllung der Kundenbedürfnisse sowie natürlich auch effiziente Geschäftsprozesse.

7. Preismanagement heißt Preise anpassen

Einmal jährlich alle  Preise um X% anzupassen, reicht nicht für ein effektives Preismanagement. Dafür muss vielmehr eine laufende Verbesserung im Verständnis der Kundenbedürfnisse, in der Kundenkommunikation sowie der Prozesse, Systeme und organisatorischen Fähigkeiten betrieben werden, um spezifische Preisanpassungen bei bestimmten Kunden bzw. -gruppen selektiv vornehmen zu können.

8. Preismanagement ist Vertriebssache

Das Gegenteil ist der Fall! Preismanagement ist eine cross-funktionale Aufgabe, bei der vor allem Marketing, Produktmanagement, Anwendungstechnik, Controlling, Produktion und – als maßgebliche Serviceleister – natürlich auch die Logistik und After-Sales Service beteiligt sein sollten.
Der Bedeutung für das Unternehmensergebnis nach, hat das Preismanagement jedenfalls höchste  Aufmerksamkeit seitens des BU-/Top-Managements verdient. Diese kommt heute aber oftmals in viel höherem Maße dem Kostenmanagement zu, obwohl der Ergebniseffekt im Preismanagement ein Vielfaches ist.

“Ich kenne keine Industrie, in der der Preisdruck nicht langfristig steigt”, sagt GCI Partner Andreas Frischherz. Das B2B Geschäft, das sich oft durch Überkapazitäten und steigende Preistransparenz auszeichnet, verzeiht Ineffizienzen im Preismanagement immer weniger. Die Antwort darauf kann keinesfalls der Preiskampf und damit die Spirale nach unten sein. Sie liegt vielmehr in einem neuen Wertverständnis in Bezug auf das eigene Produkt-Service-Angebot und in einer differenzierten, kundennutzenorientierten Preispolitik. Wer dabei auf empirische Fakten statt Mythen vertraut, kann mit dem Preis als wichtigsten Hebel signifikante Verbesserungen im operativen Ergebnis erzielen. Ganz ohne Einsparungen.

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